Schönheiten

Wann immer ich durch Museen gehe, treffe ich Schönheiten. Ich habe hunderte von Fotos gemacht, in Paris, Jerusalem, London, Wien, New York, Amman, von vielen weiß ich längst nicht mehr wo. Sie haben viele Namen: Venus, Idol, Muse, Nymphe, Vogelgöttin, Aschera, Astarte, Fruchtbarkeitsgöttin. Ich nenne sie Schönheiten, denn die vielen unterschiedlichen Namen verschleiern mehr als sie zeigen. So fremdartig sie sind, so habe ich doch das Gefühl sie zu verstehen, zu sehen, was sie mir zeigen. Jede der Figuren erzählt ihre Geschichte, jede erzählt aber auch von mir selbst. Anfangs habe ich mich bemüht mehr über sie herauszufinden, aber sie interessieren die Wissenschaft doch nicht besonders und ich kann nicht viel mit den Erkenntnissen anfangen. Das fängt schon bei den Namen an: Als Venus werden die Figuren zu prähistorischen Pin-ups, die mit der Göttin Venus und ihrer wechselvollen Geschichte gar nichts zu tun haben. Sie erzählen von einem nur allzu einfachen und klar ausgerichteten männlichen Blick. Und Idol? Hinter dem oberflächlich positiven Begriff lauern die Trugbilder, Abgötter und heidnischen Götzenbilder. Ein Weiblich-Göttliches ist in der westlichen Kultur völlig ausgeschlossen und ein paar feministisch-esoterischen Spinnerinnen vorbehalten. Jahrtausende lang daran gearbeitet Göttinnen aus der Kultur hinaus zu argumentieren, zu verheiraten, zu verdrängen, zu verschleiern. 

Ich denke an Wittgenstein, und seine Kritik an den sprachliche Konfusion schaffenden Philosophen: sie starren die Begriffe an, bis die Sprache anfängt zu "feiern", und dann meinen sie, "das Benennen sei quasi eine Taufe eines Gegenstandes". Und dann tanzen sie, die Nymphen, Musen und Sirenen. Doch das Zeigen steht dem Sprechen gleichberechtigt gegenüber, und so zeigt sich das Weiblich-Göttliche in der Verschleierung. Etwas scheint immer durch.

"Ja, meine Arbeit", notiert Wittgenstein in einemTagebuch, "hat sich ausgedehnt von den Grundlagen der Logik zum Wesen der Welt." Ich kenne das Problem.