Wie unmodern. Wie aktuell. Das Zentrum der Welt ist mitten im Nirgendwo, jener Ort, dem wir Aufmerksamkeit und Liebe schenken. Die großen Metropolen sind nicht wichtiger als jene Orte, die kaum wahrgenommen werden. Eine lokale Gleichberechtigung zeichnet sich ab. Hier. Es ist die Liebe zum je spezifischen Ort, nicht offensichtlich, nicht nachvollziehbar, von der die Welt zusammengehalten wird. Ungeliebte Orte machen dieses Geflecht der Beziehungen brüchig, lassen die Welt auseinander brechen.
Diese Zuwendung hat nichts mit Planung, Ordnung, Besitz oder Ausbeutung zu tun, sondern nur mit Zuwendung und Aufmerksamkeit. Dem Wahrnehmen des Ortes und seiner Bewohner, dem Versuch ihnen zuzuhören, sie in ihren Bedürfnissen zu verstehen und ernst zu nehmen. Und das, vor jedem Urteil. Mit “präziser Achtlosigkeit“, wie Lois Weinberger diese Form der Offenheit genannt hat. Auf vielen Fotos sieht man ihn im Gespräch mit mit Pflanzen, ihnen zuhörend zugeneigt. Gruppenfotos mit guten Freunden. Mit der Gießkanne mitten in der Brache, den Durst der Pflanzen löschen. Ich verbinde diese Bilder mit den Märchen, in denen das Glück davon abhängt der Natur eine helfende Hand zu leihen. Äpfel pflücken, nicht um sich an der Ernte zu bereichern, sondern um den Apfelbaum von der Last der überreifen Äpfel zu befreien. Nicht der Fleiß ist daran das Zentrale, dass ist letztlich nur misogyn/kapitalistische Propaganda, sondern die Fähigkeit dem Apfelbaum zuzuhören und dementsprechend zu handeln.
Ein Mann steht bis zur Brust in schlammigem Wasser, vom Ufer aus streckt ihm ein Orang Utan seine Hand entgegen. Dieses Bild zeigt mehr als nur eine rührende Geste, in diesem Bild steckt auch die wahre Tragödie unseres Naturverhältnisses, denn die helfende Hand wird nicht angenommen. Vielleicht sollten wir es wagen, die Hilfe wilder Personen anzunehmen, denn das Wasser steht uns bis zum Hals. Noch ist es möglich den Boden zu finden, im eigentlichen Sinn zur Welt zu kommen. Das ist nicht naiv, abgehoben, unrealistisch, Künstlergeschwätz, oder was sonst so die Argumente sind. Im Gegenteil, es gibt nichts, das jetzt realistischer wäre, als diese Verbindung wieder zuzulassen.
Der feuchten Erde mit bloßen Füßen lauschen, die Haut zum Trommelfell machen, mit den Zehen antworten. In die Tiefe hinunterspüren, das Netzwerk der Wurzeln kennenlernen, jenen wirklich dunklen Kontinent. Selbst zur Wurzel werden, bis zum äußersten gehend, gänzlich, rücksichtslos, rigoros. Extrem, kompromißlos, unnachgiebig: radikal werden. Es geht darum, die ursprüngliche Bedeutung des Wortes wieder fruchtbar zu machen. Verwurzelt, der Erde verbunden, angeboren. Radikal bedeutet, bis in die Wurzeln reichend, aus der Erde kommend, grundlegend und gründlich. Aus diesen radikalen Wurzeln wird die Umwandlung der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse genährt. Radikal terrestrisch zu werden, im Fühlen, Denken und Kommunizieren, bedeutet im doppelten Sinn weltbezogen zu werden, einem Boden und der Welt gleichzeitig verbunden. Radikal terrestrisch werden bedeutet auch zur wahren Materialistin zu werden. Die Materie, das Material, den Körper der Erde nicht im weltumspannenden Ausverkauf zu liquidieren, sondern als lebendiges Gegenüber zu achten.
Als Materialistin vertraut sie ihren Wahrnehmungen, auch jenen, vor deren Wahrnehmung die Wissenschaft nicht viel hält. Lebendigkeit, das eigene Fühlen und das anderer Wesen, seien sie nun menschlich oder nicht, das Miteinander unterschiedlicher Bedürfnisse ist so präsent wie die Schwerkraft. Wie leicht es diese Kraft macht, sich der Erde wieder zu verbinden.