Wo es Grenzen gibt, ist immer auch ein jenseits dieser Grenzen, und damit meine ich sicher nicht das Jenseits patriarchaler Religionen, sondern ein ganz weltliches, das sich in der Sprache der Anderen eröffnet. Die Welten von denen gesprochen wird, von denen gesprochen werden kann, sind unterschiedlich, tauchen manchmal kurz auf. Im Spanischen kennt man zwei verschiedene Wörter für sein - ser beschreibt angeborene, unveränderliche Charakteristika, estar wird benutzt um temporäre Sachverhalte und Charakteristika zu beschreiben. Wie anders ist eine Welt, in der das Sein nicht eins ist? Eine Welt, in der Veränderung und Vergänglichkeit Teil des Seins sind? Sein oder Nichtsein? Im Altgriechischen hat Gras die Farbe von Honig, χλωρός - chloros, im Vietnamesischen aber hat das Gras die Farbe des Himmels, xanh. Welche Farbe kann Gras, Honig und Himmel verbinden? Können wir uns diese Farbe vorstellen? Sind wir gefangen in Grasgrün, Honiggelb und Himmelblau? Wie sehr können wir den Möglichkeitssinn durch eine einfache Verschiebung herausfordern: Grasgelb, Honigblau und Himmelgrün. Grasblau, Honiggrün und Himmelgelb. Ein anderer Blick, ein anderes Miteinander ist möglich. Warum sich von Wörterbüchern einschränken (lassen)?
Das Sein, das Nichts, das Grasgrün, das Honiggelb, das Himmelblau. Die Welt ist vollgestellt mit Objekten, die man ordnen, zerteilen, untersuchen und verkaufen kann. Die Sprache macht die Welt zur leblosen Ware, frei zur Verfügung. Robin Wall Kimmerer erzählt von anderen Sprachen, Potawatomi, Ojibwe und Anishinabemowin, die eine andere, lebendige Welt eröffnen. Eine Bucht sein, ein Mensch sein, beides vergänglich, beides aktiv und entschieden.
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