Eröffnung 11. September 2024, 18:30
Zur Ausstellung spricht Stephanie Guse, Künstlerin und Kunstphilosophin.
Ausstellungsdauer 12. September - 13. Oktober 2024, täglich 8 - 18 Uhr
Ort Ausstellungsbrücke, Regierungsviertel St. Pölten, siehe Lageplan weiter unten
Die Ausstellung bietet einen umfassenden Einblick in verschiedene Werkzyklen der letzten 5 Jahre.
Hannah Stippl verfolgt Muster des Lebendigen - in Landschaften, Mythen, Mustern, in Kunst und Philosophie. In ihren Arbeiten verbindet sie Malerei und hortikulturelle Installation mit künstlerischer Forschung. Wie von der Erde sprechen? Diese Frage steht im Hintergrund ihrer Auseinandersetzung mit dem gängigen Naturbegriff, mit Mustern als Bedeutungsträger ebenso wie mit mythischen Erzählungen von Daphne oder den Sirenen. „Ein anderer Garten“ lässt Raum für verschiedene Assoziationen und zum Denken von Veränderung.
In ihren Bildern lotet Hannah Stippl die Möglichkeiten des Mediums Malerei aus und bezieht Techniken wie Musterwalzen oder Schablonen mit ein. Vielschichtige Kompositionen werden durch Überlagerungen aufgebaut und zielen nicht auf mimetische Abbildung, sondern auf einen mehrdeutigen Eindruck von Natürlichem. Es ist ihr wichtig, das Zufällige und Unpassende sichtbar zu halten, wie Flecken und graffitiartige Fragmente, Reste und verirrte Linien. Wörter und Muster beruhen auf Wiederholungen, ähnlich Zaubersprüchen. Hier treffen Malerei und Installation einander, unkontrolliertes Anwachsen, Ausufern und jene Form von Schönheit, die durch Wiederholung, Langeweile und Kontrollverlust entsteht. Sie ist radikal im ursprünglichsten Sinne des Wortes radicalis, verwurzelt. Das Radikale ist hier eine Form der Erdverbundenheit, mit Pflanzen auf Augenhöhe. Sie betrachtet ihre Bilder als wachsend und sich entwickelnd, sich langsam offenbarend.
Es beginnt mit einem Gespräch über Herkunft und Heimat und der Frage, ob jener wilde Garten beides wäre. „Ich komme aus einem anderen Garten,“ meine ich, und der Satz hallt nach bis die ersten Sonnenstrahlen den Himmel lachsrosa färben. Ich fühle mich verloren, denke zurück an die Orte meiner Kindheit. Der Garten meiner Großeltern in Perchtoldsdorf, mit dem angrenzenden Bahndamm und unendlich anmutenden Mohnblumenfeldern, der noch immer die Komposition meiner Bilder beeinflusst. Der Bauernhof, mit Hasen und Eseln und Körben, voll der jeweils letzten Ernte - Zwiebel, Fisolen, Kartoffeln. Der Hof meiner Großmutter in Heidenreichstein, wilde Kamille und der Duft nach frischem Heu. Ein Garten voll Kohl und Dahlien und Granitbecken mit eiskaltem Wasser entlang einer dunklen Treppe zum angrenzenden Bach. Wo ein Baum war, steht jetzt ein Haus; wo ein Bach war, führt ein Kanal an einem Parkplatz vorbei; was einst lebendig war, liegt nun im Museum begraben. Als Eingeborene des Kapitalismus habe ich kaum Wurzeln, kaum Wissen um Vergangenes, kaum Zeichen, die etwas vermitteln können. Ich spüre in mich hinein, um so etwas wie einen indigenen Kern zu finden, doch vergeblich. Ich finde nicht viel mehr als familiäre Traumen und Entwurzelung, die so weit geht, dass selbst der Begriff dafür verschwunden ist. Totale Auslöschung, totale Verfügbarkeit. Jahrhunderte haben Wissen und Zugehörigkeit vernichtet, haben erreicht, was das Ziel war: Eine überschaubare Menge an disponiblen Individuen, ohne überflüssige Bindungen.
Mehr als nur ein Anlass in sentimentale Kindheitserinnerungen abzutauchen, sondern viel fundamentaler, spricht die Sehnsucht nach Gärten von einer grundsätzlichen menschlichen Verfassung, an deren Anfang so oft ein Garten steht, der verlassen wurde. Denke ich tiefer in die Zeit, bin ich auf die Erzählungen der Religion zurückverwiesen, Adam und Eva (warum nicht Eva und Adam?), das Paradies, und die schier unendlich suggestive Kraft dieses Gartens. Urknall und Evolution sind schwache Geschichten, irgendwo im Nichts, und die einzige Kraft, die sie besitzen besteht darin, den Menschen an die Spitze der Entwicklung zu stellen. Aber Achtung! Das Paradies, jener Garten mit sorgsam ausgewählter Flora und Fauna, umgeben von einer Mauer, geordnet und friedlich, ist kein Ort der Unschuld, sondern der Tatort der ersten großen Vertreibung. Der größte anzunehmende Unfall (GAU) hatte die Betriebsschließung zur Folge, und mit der Zeit auch das Vergessen des exakten Betriebsstandortes. Der paradiesische Garten, nun sich selbst überlassen, verwildert. Die ursprüngliche Wildnis außerhalb, nun dem Menschen überlassen, wird Nutzland, Rohstofflieferant, Industriestandort oder Tourismusgebiet. Das Paradies, weder hier noch dort mehr existent, wird zum uneinholbaren Sehnsuchtsort. Immer auf der Suche, vermuten wir es hinter jeder bröckeligen Mauer, hinter jedem überwucherten Gartenzaun, jedem Dickicht aufs Neue. So steckt in jeder Brache und jedem verlassenen Garten das Paradies.
Der Schweizer Soziologe und Planungstheoretiker Lucius Burckhardt, dessen landschaftstheoretischen Aquarellen meine Dissertation gewidmet ist, fasste das revolutionäre Potential des Garten kurz und paradox zusammen: „Der Garten ist ein Modell der Welt im Maßstab 1:1.“ Ein Blick in die Kulturgeschichte der Gärten zeigt verschiedene Vorstellungen über die Ordnung der Welt und den Platz des Menschen in ihr. Ob Landschaftsgarten oder Bauerngarten, fest verankert im hier und jetzt verweist der Garten auf eine Vergangenheit und auf eine Zukunft. Er ist Topos, also Ort und Stelle, aber auch Erzählform, und - gleichgültig wie hoch die Mauern sein mögen - er ist nie völlig abgeschlossen von der Welt. Das betrifft nicht nur Beziehungen zu Klima und Geographie, sondern auch jene Teile der Erzählungen, die als Utopie fast unverbunden, doch immer präsent sind. “Die Welt des Lebens ist eine Welt, die nicht aus Objekten besteht, sondern aus Beziehungen“, sagt Andreas Weber.
Wie können wir leben? Überall dort, wo das Leben prekär wird, sind Gärten wichtige Überlebensfaktoren, so in Kleingartensiedlungen, Community Gardens oder Victory Gardens, um nur einige berühmte Beispiele zu nennen. Belächelt als das kleine Glück (der Mensch sollte doch immer nach dem Großen streben) sind sie fähig jene Lücken zu füllen, die Kapitalismus, Planwirtschaft oder Krieg offen lassen.
Wie wollen wir leben? Es ist ein Fehler, die Natur für etwas „da draußen“ zu halten. Wir sehen sie im Fernsehen, wir lesen über sie in Hochglanzmagazinen. Wir stellen uns Orte vor, irgendwo in der Ferne, wild und frei, Orte ohne Menschen und ohne Straßen und ohne Zäune und Stromleitungen, unberührt und unveränderlich. Dieser Traum von natürlicher Wildnis verfolgt uns und macht uns blind. Viele Ökologen verbringen ihr Leben damit, die unberührtesten Orte zu studieren, die sie finden können, und viele Naturschützer verbringen ihr Leben mit dem verzweifelten Versuch, die Veränderung der Wildnis zu verhindern. Wir klammern uns an Fragmente von „unberührten“ oder „alten Wäldern“, an die „letzten großen Orte“, die immer seltener werdenden „intakten Ökosysteme“, aber sie gleiten uns durch die Finger. Sie schrumpfen wie Seifenstücke und verschwinden. Die Wahrheit ist, es gibt schon lange keine unberührte Wildnis. Selbst wenn nie ein menschlicher Fuß den Boden berührt hat, nie jemand einen Blick erhascht hat: Der atomare Hauch des Menschen hat jede noch so ferne Ecke berührt, vom restlichen Müll der modernen Zivilisationen gar nicht zu reden. Die Wildnis als selbstbestimmtes und vom Menschen unbeeinflusstes Gebiet ist ein Ding der Vergangenheit. Hat es sie überhaupt je gegeben? Die Idee des unberührten Gebiets funktioniert nur unter der falschen Voraussetzung, dass Regionen grundsätzlich unverbunden existieren.
Ich misstraue diesem Begriff der „Wildnis“ zutiefst, denn in ihm vollendet sich der Bruch zwischen Mensch und Natur. Der Mensch nimmt sich aus dem Geschehen und erklärt sich selbst gleichzeitig sowohl zum Störfaktor als auch zum außenstehenden, ja sogar zahlenden Beobachter. Die Natur als Wildnis ist, wie Bruno Latour anmerkt „ein Knäuel aus griechischer Philosophie, französischem Cartesianismus und amerikanischen Nationalparks“. Die Verehrung von „Gottes großartiger Natur“ als Wildnis hat ihre Wurzeln in den USA des 19. Jahrhunderts. Der Schutz ausgewählter Wildnisgebiete wurde schließlich 1964 mit dem „Wilderness Act“ besiegelt, der die gesetzliche Grundlage für ein umfangreiches Programm zu ihrem Erhalt schuf. Das Problem dabei: Vieles, was als Wildnis betrachtet wurde, war tatsächlich eine durch Jahrtausende währende indigene Arbeit und Aufmerksamkeit geprägte Landschaft. Dieser Einfluss wurde negiert und die Indigenen selbst aus den neuen Wildnisgebieten vertrieben. Mit fatalen Folgen, nicht nur für die im wahrsten Sinn entwurzelten Menschen, sondern auch für die Landschaft, die nun - verwildert. In dieser Ver-wildnis verschwinden nun Pflanzen- und Tiergemeinschaften, die eben nur durch den regelmäßigen und sorgsamen menschlichen Eingriff bestehen konnten. Der Denkfehler dabei: Nichtstun ist eine gestalterische Entscheidung mit massiven Auswirkungen, nicht die Methode zur Rückkehr zu einem paradiesischen Urzustand.
Doch es gibt auch eine andere Perspektive. Inmitten einer Welt, die sich unter der Last von Klimawandel und Artensterben rapide verändert, bekommen Gärten neue Relevanz: Als Refugium für die fragile Schicht des Lebendigen und unsere notwendig tiefe Verbundenheit mit ihr. Sie ermutigen uns anderen Lebewesen Raum zu geben und neu zu sehen, was ist und was wird. Vielleicht dem Gras beim Wachsen zusehen, und auch den Bäumen, und selbst zu fühlen wie es ist Wurzeln zu in die Erde zu treiben. Das ist schwer, und Jahrtausende an Problemen lagern an diesen Gedanken, ich bin mir dessen wohl bewusst. Und doch. „Das Chaos muss ausgehalten werden“ meint Anna Oppermann, „staying with the trouble“ nennt es Donna Haraway.
Vielleicht hilft eine Beschreibung des Gartens anhand dessen, was Derrida über das Gedicht sagt, vermittelt durch Andreas Weber: „Niemals erschließt es sich in Gänze, immer bleibt es ein Stück weit unzugänglich, immer droht es sein Gegenüber zu enttäuschen, weil die Bindung an ein lebendes Wesen, an ein schöpferisches Stück Wirklichkeit eben zugleich immer eine Trennung ist.“ Welche Beziehung habe ich nun zu einem Ort? Seit langer Zeit begreift der Mensch sein Verhältnis zur Natur als getrennt, feindselig und geprägt vom Kampf ums Überleben. Das landläufige Naturbild scheint einem Zombifilm entsprungen: Nicht wirklich tot oder lebendig, keinesfalls fühlend, kann man sie niederwalzen oder ein paar Arme abhacken, ohne zu irgendeiner Rücksicht verpflichtet zu sein. Die Figur des Gärtners ist belastet mit Herrschafts- und Allmachtsphantasien, eine Projektionsfläche für jene, die die Erde nach ihrem Gutdünken verändern wollen, in militärischen Formationen, ob es nun Reihe von Fichten oder Kohlköpfe sind. Formschnitt und Spalier, dazu perfekter Rasen. Das unerbittliche Streben nach Rationalisierung hat zu einem Verlust der Weltbeziehungen geführt. Was früher Lebendiges verzehrt hat, ob am Schlachtfeld oder in Fabriken, nährt sich nun von Erdöl und Kohle.
Ich gehe durch den morgenfrischen Garten und frage die Pflanzen. Oh ja, auch wir sind entwurzelt, zusammengewürfelt irgendwo, zum Verkauf, zu Diensten, disponibel. Doch wir verwurzeln uns, wo immer möglich, finden Gesellschaft in denen, die da sind, neue, schwierige Gesellschaften. Der Kapitalismus hat alle entwurzelt und durcheinander gewirbelt, dem Boden, auf dem Pflanze, Tiere und Menschen hier leben sind wir alle fremd, selbst die Erde, die zurechtgeschaufelt und aufgeschüttet wurde. Sogar die Steine sind mobil gemacht worden. Wie steht es um die Vögel im Hinterhof? Um Brombeeren und Schmetterlingssträucher, die entlang Baches wuchern; die Götterbäume, die an jeder Ecke aus den Fugen wachsen? Was ist mit all jenen Wesen, die als invasive Schädlinge bezeichnet werden; was ist das begrünte Dach oder der Mittelstreifen der Autobahn? Ist Wildnis der alte Obstgarten, der mitten im Amazonasgebiet liegt oder der Avocadobaum, der im Komposthaufen sprießt? Paradiesvögel überall.
Jetzt sind wir alle hier, kümmert es, woher wir kommen? Gibt es globale Aufzeichnungen der Wege, die Generation gegangen sind, der Umwege und falschen Abzweigungen, die uns nun hierher gebracht haben, und nun Teile einer kapitalistische Wildnis bilden? In dieser unglaublichen, umfassenden Umwälzung der Materie, die der Kapitalismus seit Jahrhunderten betreibt, wo hat noch jedes Ding seinen Platz? Ich bin Stein, doch dieser Stein lag tausende von Jahren in Spanien, in Italien, in Südamerika. Der Baum ist Wasser, das immer schon um die Welt gereist ist. Versorgt es den Baum mit Nachrichten aus den Tiefen der Meere und den Höhen der Gletscher? Ich suche nach der Verbindung zur Erde, und weiß gar nicht so genau, zu welcher Erde. Hier, im Garten, hier ist noch Erde, in den Städten gibt es sie kaum mehr. Aber da ist Material, Materie, all das Zeug, aus dem ich, Häuser, Bäume, Straßen und Gänseblümchen sind. Mater, die Mutter, Erde. Immer stärker habe ich ein Bild vor Augen, als würde ich durch mich hindurch sehen, da ist eine Wurzel, die in die Erde reicht, wie ein Anker, ein einzelner Trieb, der bereit ist, Halt zu finden. Man sagt, die Schwäche der Pflanzen wäre ihre Unbeweglichkeit. Vielleicht ist es ihre Stärke.
Die Balance im Garten ist fragil. Ich sehe mich nicht als Diktator, wo ich es versuche, lacht mich der Garten aus und macht etwas anderes. Ist es mein Garten? Das Verhältnis hat sich verändert, jetzt ist dieser Ort so mein Garten, wie es meine Hand ist. Auf Zeit, immer veränderlich, meiner Verantwortung und meinem Schmerz überlassen. Weiter mit Andreas Weber: „Allein der Unfall, wie Derrida sagt, die Berührung-als-Verformung, bringt in Verbindung mit der Wirklichkeit. Sie ist immer zugleich eine Erfahrung des Gewichts der Welt und eine Erfahrung des Selbst und die Erfahrung einer Metamorphose des einen im anderen, mit offenem Ende. Berührung durch den anderen ist die Erfahrung einer Selbstvergewisserung und die Erfahrung einer Verwundung zugleich.“ Wir formen einander: Nicht nur die großen Eingriffe, sondern eben vor allem die kleinen, der morgendliche Weg zum Gemüsegarten, wenn Gras und Füße einander berühren, das Erstaunen über Wachstum und Verfall, ein Blumenstrauss ab und zu. Was kann ich für den Garten tun? Kann ich überhaupt etwas tun, oder zerstört jeder Handgriff ein Gleichgewicht, das ich zu wenig kenne, aber umso leichter kaputt machen kann? Im Zentrum des anderen Gartens steht eine Beziehung auf Augenhöhe, kein Generalplan. Ist ein neuer Begriff für unsere Existenz mit Pflanzen, Tieren, dem Boden und der Luft nötig? Wir leben zusammen in einer Art universeller Wohngemeinschaft. Kon-Habitat, im Garten, auf der Erde. Und wer schon jemals in einer Wohngemeinschaft gelebt hat, weiß genau wie viel Rücksicht und Geduld dieses Zusammenleben erfordert - von allen Beteiligten. Natur und Mensch sind nicht getrennt, sondern durch Aufmerksamkeit verbunden. Vielleicht auch durch pflegende Aufmerksamkeit und, wieder mit Lucius Burckhardt, den kleinstmöglichen Eingriff. Nehmen wir den Menschen zurück in die Natur, in einem gleichberechtigten Verhältnis, wo der Mensch die Natur braucht und die Natur den Menschen braucht, dann hören wir auf Störfälle zu sein. Das heißt die Verantwortung teilen, verhandeln, für jedes Nehmen muss ein Geben den Ausgleich schaffen. Hier bringe ich den Begriff der Konjunktur wieder in die Verhandlung, ein Wort, dass den Sprung aus der Astrologie in die Wirtschaftswissenschaft mühelos bewältigt hat. Ursprünglich Verbindung, Zusammenhang und sogar Zusammenschein von Sternen, beschreibt es nun zyklisch angenommene Veränderungen der Wirtschaftslage. Und wenn Konjunktur, als Kennzahl neu interpretiert, den Grad der Verbundenheit der Wesen anzeigen würde? Wie nahe wären wir dem Desaster, des-aster, dessen etymologische Wurzel sich in der Trennung von den Sternen, griechisch „aster“ findet. Auch hier geht es wieder um Beziehungen.
Ich stelle es mir vor: Ich lebe in einer (Wohn-) Gemeinschaft mit Bäumen, Sternen und Gänseblümchen, mit Fledermäusen und Fliegen, mit Walen und Fröschen. In diesem Kon-Habitat haben wir nicht mehr Rechte als die anderen Lebewesen. Nehmen wir diesen Begriff ernst, bedeutet das eine Revolution des täglichen Lebens. Jenseits von Subjekt, Objekt oder Projekt leben Konjekte in stetem Miteinander-werden. „Um diesen Prozess zu ermöglichen brauchen wir Risikobereitschaft. Offenheit, die sich immer wieder der Furcht stellt. Offenheit gegenüber den Schatten, den eigenen und denen der Welt. Offenheit heißt, die Lücken und Risse hinzunehmen, ohne sie zu beklagen. Neugier auf das, was werden mag. Akzeptieren, dass diese Welt ein Terrain der Verwandlung ist und es keine Transformation gibt, die nicht auch schmerzt.“ Ich nehme die Worte von Andreas Weber mit in den Garten, vorbei an einer toten Amsel, die in der Boden sinkt, inmitten umtriebiger Insekten. Ich sammle Fallobst und überlege, ob der Gemüsegarten heute Wasser braucht oder die nächtliche Feuchtigkeit genügt. Ich werde langsam, bleibe stehen, versuche mich in den Kürbis und die Bohnen und den Mangold einzufühlen, versuche ich ihren Durst zu meinem zu machen. Miteinander im Garten leben heißt, an unvertrauten Orten zu verweilen, den Lebewesen zuzuhören und Verantwortung für das, was unter der Oberfläche liegt, zu übernehmen. Es heißt, im Sinne von Donna Haraways „response-ability“, der Fähigkeit den leisen Stimmen der Lebewesen zu antworten, den Wurzeln nachzuspüren, sich den Geistern zu stellen, das Absonderliche in den Arm zu nehmen und die Stille zu teilen. Es gibt eine tiefe Verbindung zwischen den Wesen, Mensch und Pflanze und Wasser und Tier und Stein, die einander brauchen, verändern und unterstützen. Eine lebendige Verbindung, die durch gegenseitige Aufmerksamkeit aufrecht erhalten wird. Ohne diesen Austausch ist das Leben nicht möglich, je reicher er ist, desto besser ist die Konjunktur des Lebens.