… und aus den Spuren werden Bilder…

Rollenspiele

Hg. von Judith Augustinovič, Birgit Schulz
(Schablone – Verein für Kunst, Raum und Handwerk)


Mit Texten von Judith Augustinovič und Birgit Schulz, Chiara Desbordes, Irmgard Frank, Manuela Hötzl, Gabriele Kaiser, Irene Nierhaus, Nicole Pruckermayr, Claudia Riff-Podgorschek und Alexandra Sagmeister, Nina Schedlmayer, Heidrun Schlögl, Hannah Stippl, Sigrid Verhovsek

Das Buch Rollenspiele, erschienen bei SCHLEBRÜGGE.EDITOR, beleuchtet Technik und Geschichte der Walzenmuster, den technischen Fortschritt, die modischen Trends, die sozialen und geschlechtsspezifischen Codierungen. Künstlerinnen und Autorinnen setzen in Rollenspiele ein feministisches Statement.

Gestaltung: Thomas Kussin
Deutsch, 152 S., 17 × 24 cm, zahlr. Abb. in Farbe, broschiert
ISBN 978-3-903447-12-7 € 28,00 [A]   € 27,30 [D]

… und aus den Spuren werden Bilder…

Über die Arbeit mit Walzenmustern und Musterwalzen

Heutzutage existieren Walzenmuster nur mehr an den Peripherien der alltäglichen Wahrnehmung, im Hintergrund von Kindheitserinnerungen, in den Küchen der Großmütter oder in ländlichen Hotelzimmern und heruntergekommenen Stiegenhäusern. Sie tauchen auf hinter Einbaukästen oder unter Tapeten, die von der Wand gekratzt werden. Fremdartige Strukturen und Farbkombinationen, die einen Blick in andere Zeiten freigeben, kurz nur, bevor sie endgültig verschwinden. Das Schicksal der Musterwalzen ist ähnlich, nur auf Flohmärkten, in verstaubten Kellern oder auf Dachböden findet man das Handwerkszeug: Die gemusterten Gummiwalzen, verschiedene Halterungen und Einzelteile, von denen keiner weiß, wie sie zusammenzusetzen sind, und schon gar nicht, wie man sie sachkundig benutzt. Das Handwerk ist verloren, die Malertechnik ebenso wie die Produktion der Muster und Walzen.

Waren die Walzenmuster nur eine kurzfristige Mode, die rund hundert Jahre lang den bürgerlichen Horror Vacui bediente und nun verschwinden kann? Ich denke nicht. In den Kisten meiner Musterwalzensammlung finden sich Verflechtungen von malerischer Praxis und philosophischen Auseinandersetzungen, von Kunst- und Kulturgeschichte(n), von Politik, Mythologie und Wandfarbe.

Die ersten zwei Musterwalzen kaufe ich 1996 am Wiener Flohmarkt, absichtslos. Die eine mit unregelmäßig verteilten Tupfen von unterschiedlicher Größe, manche nur als ringförmiger Umriss angedeutet, auf der Seite ist die Nummer 4032 ohne Firmenbezeichnung in den Gummi eingearbeitet. Die andere umrunden feine, leicht gewellte parallele Linien, immer wieder unterbrochen, weder eine Nummer noch die Firma sind erkennbar. Was mit ihnen anfangen? Wie benutzt man sie eigentlich? Und wie nutze ich sie künstlerisch?

Die Handhabung des Trios aus Halterung, Schwamm- und Musterwalze ist einfach, mit etwas Übung kann ich problemlos geradeaus walzen und den Rapport einhalten. Doch diese ersten Versuche stellen mich nicht zufrieden, sie erschließen noch nicht die malerischen Möglichkeiten der Arbeit mit Musterwalzen. Nach wochenlangem Herumprobieren nehme ich eines Tages die Farbspuren auf dem Tisch wahr, Schichten, die sich gegenseitig auslöschen oder einander ergänzen; tiefe, undurchsichtige Farbräume: Ich sehe ein Bild und eine Methode, mit der ich weiterarbeite.

Beide Walzen verwende ich noch immer. Nach mehr als 25 Jahren sind sie durch den zunehmenden Verlust des Weichmachers im Gummi am Holzkern entlang geschrumpft. Die oberflächliche Einfachheit der Muster täuscht. Die Verteilung der Tupfen ist hochkomplex, stellenweise verdichten sie sich, dann wieder lockert sich das Muster auf. Ein einzelner größerer Tupfen bildet ein Zentrum, um Eintönigkeit zu vermeiden. Es ist leicht, den seitlichen Anschluss zu finden und, noch besser: Das Muster lässt sich perfekt überlagern und verdichten, sowohl in parallelen Zügen als auch kreuz und quer. Dadurch lassen sich große Flächen füllen oder nur einige Tupfen zwischendurch einfügen. Ähnlich benutzerfreundlich ist die Linienwalze. Die leichte Wellung und die Unterbrechungen kaschieren kleinere Wackler bei der Arbeit und geben dem Muster in sich genug Raum, um in vielfacher Überlagerung den Eindruck von Tiefe entstehen zu lassen. Erste Bilder spielen mit der Möglichkeit, durch vielfache Überlagerung abstrakte dreidimensionale Räume zu schaffen, die nur manchmal durch Musterhaftes unterbrochen werden. Später werden landschaftliche Assoziationen wichtiger, und das Linienmuster bietet viel Spielraum für unterschiedliche Interpretationen. Ein Zufall zwar, aber doch: Streifen und Tupfen sind die ältesten Muster der Menschheit, sie begleiten den Homo sapiens seit dem Paläolithikum, vielleicht noch darüber hinaus. Diese Verbindung ist für meine künstlerische Arbeit wichtig, aber davon später.

Zunächst geht es um die österreichische Malerei der 1990er-Jahre, die vielgestaltig und gleichzeitig erstaunlich beschränkt ist. Es geht um den „Kontext der Visualität selbst“(1), und die Beschäftigung mit Mustern, die die Geometrie von Streifen überschreiten, gilt als problematisch, dekorativ, irrelevant. Mich aber interessiert genau dieser ornamentale Überfluss, und ich bereichere meine Sammlung und meine Bilder mit barocken Schnörkeln und Blümchenmustern. „Formal wird dabei eine künstlerische Haltung sichtbar, die nicht nur den Begriff von Schönheit provokativ demonstriert, sondern auch das Moment des Transgressiven als Erkenntnisprinzip situiert: Vom Trivialen zum Künstlerischen, vom Ornament zum Bild“(2), schreibt Carl Aigner damals über meine Arbeiten – und umreißt damit den Abgrund, den es zu überbrücken gilt.

Nachdem schon Adolf Loos jegliche Bedeutungsebene liquidiert und Ornament und Verbrechen(3) zu einer untrennbaren Einheit verschweißt, steht die Arbeit unversehens im Spannungsfeld der grundlegenden und erbittert ideologisch geführten Auseinandersetzung der Moderne um den Stellenwert des Ornaments(4). Dazu die Kunsthistorikerin Michelle Kuo: „Loos’ Polemik entlarvt[] somit einige der heftigsten Spannungen im Konzept des Ornaments: einen Wettstreit zwischen (bedeutungsloser) Dekoration und (bedeutungsvoller) Abstraktion, dem Innen- und Außenraum, unreinem Weiblichen und reinem Männlichen, Primitivem und Modernem; die Angst, dass bedeutungsvolle Form irgendwie zu bloßer Tapete, Funktion zu Sinnlosigkeit zerfallen könnte.“(5) Es geht nicht nur um ein paar Schnörkel, sondern um die unwillkommene weibliche Teilhabe an Bildung, Politik und Kunst. Jede Künstlerin muss sich mit der ungeheuerlichen Behauptung befassen, „dass das künstlerische Schaffen von Frauen, egal ob abstrakt oder nicht, inhärent dekorativ, d. h. bedeutungslos sei.“(6)

Die Auseinandersetzung beginnt allerdings nicht erst im 20. Jahrhundert. Schon Leon Battista Alberti nennt Schmuck „bloße Akzidenz, ein der Schönheit additiv angestücktes Beiwerk“(7). Ornamente gelten als oberflächlich und verzichtbar, denn wahre Schönheit liege in der Funktionalität der Form, die durch den Prozess der Zivilisation vervollkommnet werde und schließlich, in der Gegenwart, für sich selbst stehen könne: „Symbol, dann Ornament, endlich überflüssig“(8) – so leichtfüßig fasst Theodor W. Adorno die Geschichte zusammen. Noch dazu seien Ornamente Zeitverschwendung, warnen die Ökonomen, und „Zeitvergeudung ist […] die erste und prinzipiell schwerste aller Sünden.“(9) Ornamente sind Überschuss und Überfluss, jenes Zuviel, das eigentlich nicht da sein sollte, das die Ordnung stört, wenn nicht sogar unterwandert, aus den Schubladen der Taxonomie hervorquillt und sich überall breit macht, wo der Geist des Fortschritts, des Funktionalismus und der Sachlichkeit nicht sofort einschreitet. Auch wenn Max Weber in seiner Analyse der Zusammenhänge von Religion und Kapitalismus weder Muster noch Ornament erwähnt, so hallt die rationale „Entzauberung der Welt“(10) und die „strengste […] Vermeidung alles unbefangenen Genießens“(11) doch durch die Ethik der weißen Oberflächen. Das Gemusterte als „Synonym für das Atavistische und Verderbte“(12) ist Teil der ungezügelten, wilden und schmutzigen Natur, deren Anfechtungen es zu überwinden gilt. In der Verdammung des Ornaments findet die inhärente Natur- und Frauenfeindlichkeit der Moderne ihren unmittelbarsten Ausdruck. Generationen von Theoretikern in den Bereichen der Architektur, des Designs, der Kunstgeschichte oder Archäologie folgen diesem Urteil. Selbst Owen Jones, dessen Grammar of Ornament ein Standardwerk in der Erforschung des Ornaments ist, bezeichnet dieses als „bedeutungslos, rein dekorativ, niemals repräsentativ“(13). Als Interessensgebiet nur am Rande wahrgenommen, ist das Wissen über Muster marginal und in zahllosen Disziplinen zerstreut. Doch die stete Betonung der Bedeutungslosigkeit lässt vermuten, dass es noch um anderes geht.

Ein Blick auf den Ursprung der Wörter „Muster“ und „Ornament“ eröffnet unerwartete Bedeutungshorizonte. Das lateinische Verb monstrare, von dem sich das Wort „Muster“ ableitet, bedeutet zeigen, weisen oder bezeichnen. Demnach hat das Muster verweisenden Charakter, zeigt oder bezeichnet etwas, es kann Vorbild, Warenprobe oder Modell sein, aber auch ein Mittel der Flächenverzierung. Die Etymologie des Ornaments führt zum lateinischen Wort ornare, das ordnen, ausrüsten oder schmücken bedeutet und seinen Ursprung in dem altgriechischen Begriff cosmos hat, was Universum, Ordnung und Schmuck bedeutet. „Vermag nicht das Ornamentale in der Abstraktion eine Inhaltlichkeit zu transportieren, die eben nur im Ornament transportiert werden kann?“, fragt Markus Brüderlin nach dem „blinden Passagier“ der abstrakten Kunst. „So war das Ornament auch mit einer weltanschaulichen, symbolischen Inhaltlichkeit behaftet (Kosmos, Unendlichkeit, Allzusammenhang, Ordnungsprinzipien, unsichtbare Naturgesetze).“(14) Gerade weil Ornamente nichts unmittelbar abbilden, eignen sie sich in besonderer Weise, um kosmologische Zusammenhänge und Ordnungen aufzuzeigen, die als solche nicht sichtbar sind. Weit davon entfernt, bedeutungslos zu sein, manifestiert sich hier eine Kommunikationsebene, die tiefer geht und weiter reicht als jede Schrift. Musterwalzen sind mehr als nur ein beliebiges historisches Werkzeug, sie erlauben den Einstieg in ein jahrtausendealtes Gespräch, anschließend an Streifen und Tupfen.

Es ist ein Leichtes, diesen Gedanken mit der Forderung nach einem kosmologischen Lexikon der Muster(-Walzen) lächerlich zu machen. Doch so einfach ist es nicht. „Wir wissen nicht, wie wir Ornamente lesen sollen, wie wir uns mit/gegen sie bewegen sollen, wie wir das Gefühlswissen in ihren vielen sensorischen Ebenen wahrnehmen, sogar wie wir (unaufdringlich) ihre symbolischen Ordnungen analysieren sollen – ihren reichhaltigen Code, der Zitate von Zitaten enthält – manchmal vielleicht bis zum Unsinn – von Zitaten, die in die, ohne dramatisch klingen zu wollen, unendliche Zeit zurückreichen.“(15)

Was Shola von Reinhold meint, lässt sich an einer Walze mit Palmenmuster (Firma unbekannt, die Nummer 289 eingeprägt) zeigen, unverkennbar ein Produkt der 1950er-Jahre. Arnold Stadler erfasst das Lebensgefühl der Nachkriegszeit in einem Satz: „Das Unglück zu Hause rührte allein daher, glaube ich, dass bei uns im Hotzenwald keine Palmen wuchsen.“(16) Träume von Capri, der Riviera oder den Tropen werden greifbar, Fernweh mit einem Hauch unbeschwerter Exotik für daheim. Kein Motiv verkauft das gute Leben im gelobten Land so effektiv wie die Palme, in Fußgängerzonen, Badeoasen und auf Werbeträgern aller Art – und das seit sehr langer Zeit. In der Kunstgeschichte begegnet man der Palmette seit ca. 2500 v. Chr., in der ägyptischen, babylonischen und griechischen Kunst, und sie bleibt in verschiedensten Abwandlungen eine Konstante durch die Zeiten und Stile. Vielleicht ist das Motiv aber auch um vieles älter: In der Höhle El Castillo in Spanien findet sich auch eine circa 40.000 Jahre alte Form, die verführerische Ähnlichkeit mit einer Palme hat.(17)

Zwischen der Musterwalze und der Wandzeichnung entfaltet sich ein Kaleidoskop von Bedeutungen, Interessen, Versprechungen und Ideologien, begegnen sich ägyptische Baumgöttinnen und christliche Märtyrer*innen, Symbole für Sieg und ewiges Leben, Orientalismus, Kolonialismus und Tourismus, immer auf der Suche nach dem verlorenen Paradies. Dabei sind die Vorstellungen von Urlaubsparadiesen und himmlischen Sphären doch recht unterschiedlich, und es gibt keine feste Verknüpfung von ornamentaler Kommunikation mit bestimmten Inhalten. Mögliche Aussagen sind uneindeutig, kontextabhängig und mäandernd, fließend. Muster sind omnipräsent und unkontrollierbar. „Wurde übersehen, dass das Ornament mehr als nur ein Spiel mit reinen, inhaltslosen Formen war? Dass es neben den klassischen Inhaltsformen der Allegorie und des Symbols eine eigene Art des Verweises besitzt und eine eigene Art von Inhaltlichkeit herstellt?“(18) Vielstimmig erzählt es gleichzeitig divergente Geschichten. Eine andere Welt ist möglich.

Im Laufe von 25 Jahren ist eine umfangreiche Sammlung von Musterwalzen entstanden, ich habe sie nie gezählt und nur grob geordnet. Kaum eine Musterkategorie ist umfassender und schwieriger einzugrenzen als Streifen. Es gibt sie in Dutzenden von Varianten, feine Nadelstreifen, breite Streifen, geschwungene, Längs- und Querstreifen. Laut Definition entstehen sie durch Teilung einer Oberfläche in verschiedene lineare Abschnitte, gleichgültig ob vertikal, horizontal oder diagonal. Wo immer Streifen erscheinen, markieren sie zweideutige Zonen, in denen Gegensätzliches nebeneinander denkbar ist: Schwarz und Weiß, Sein und Nichtsein. Streifen sind jenen Menschen vorbehalten, die den festen Boden unter den Füßen verloren haben, Matrosen, Häftlingen oder Clowns. Streifen machen sichtbar, sie erregen Aufsehen, gleichzeitig machen sie unsichtbar, werden als Camouflage eingesetzt, um die eindeutige Formbestimmung von Objekten zu erschweren. Ihr kultureller Stellenwert ist zwiespältig: Manche gelten als laut und vulgär, andere als elegant und geschmackvoll. Wie durch eine Drehtür wandern sie vom Minimalismus zum Maximalismus, von der Volkskunst zum abstrakten Expressionismus, von der Antike zur Avantgarde.

Während ich die Sammlung nach Streifenwalzen durchsuche, fällt mir auf, dass Linearität eine grundlegende Eigenschaft aller Musterwalzen ist, eine Bahn wird neben der vorangegangenen, über der letzten abgewalzt. Wie sie beschränken, wo es doch die Grundverfassung der Linie ist, ins Unendliche zu führen? Ich gruppiere sie nach Ähnlichkeiten: solche mit ganz feinen Streifen, mit breiten Streifen, mit geschwungenen und mit den in sich strukturierten Streifen, die ein Muster im Muster in sich tragen. Es gibt die ganz klaren Fälle und die immer weiter dekonstruierten, schwingenden, verschlungenen, durchbrochenen, verknoteten – noch immer Streifen. In meinen Arbeiten werden sie zu Gräsern auf Böschungen, bündeln sich zu Gestrüpp und Unterholz oder überlagern sich auf Wasseroberflächen. Sie können Wellen sein, Regentropfen oder die Maserung von Holz und noch vieles mehr.

Der jüngste Neuzugang meiner Sammlung verbindet elegant geschwungene Linien mit dem Realismus einer charakteristischen Blüte des Hirtentäschels (Erzeuger unbekannt, Nummer 1847). Nur wenige Walzen bilden Pflanzen so präzise ab, dass beinahe eine botanische Bestimmung möglich ist. Die Walze mit der Nummer 255 der Firma Tiger zeigt die feinen Verästelungen einer Süßwasseralge, und eine Walze der Firma Reuss hinterlässt eine Spur von Farnblättern, leicht diagonal versetzt. Viele Muster bleiben in den Darstellungen von pflanzlichen Formen ambivalent. Jede Walze bringt neue, unberechenbare Ergebnisse, die ausgelotet werden wollen. Keine Linie ist jemals exakt, kein Abdruck wie der andere, mit jeder Umdrehung verändert sich der Farbauftrag. Die Variablen sind zahlreich: der Druck der Schwammwalze auf die Gummiwalze, abhängig vom Abstand, in dem die beiden Walzen eingespannt sind; der Druck der Hand, vermittelt durch die Halterung; Acryl, Dispersion oder Tusche, jede wasserlösliche Farbe ist verwendbar und liefert spezifische Ergebnisse. Jeder Abdruck wird von einem feinen Quetschrand begleitet, der nur durch Walzen entsteht, manchmal schlittern und rutschen sie, und wenn Walzen bereits defekt sind, kommen weitere Spuren hinzu oder bleiben eben auch aus. Die Imperfektion unsauberer Wiederholungen und fehlerhafter Rapporte erhöht den Reiz. Der Charakter mechanischer Vervielfältigung erzeugt nicht identische Spuren, sondern multipliziert die Möglichkeiten malerischer Manipulation, ohne auf die Tricks genial-künstlerischer Handschrift zurückzugreifen. Bilder entstehen in Serien aus der Überlagerung vieler Schichten, Farben, Muster, manchmal über Jahre und Kontinente hinweg. Die Arbeit mit Musterwalzen bedingt bestimmte Abläufe: Walzen einspannen, Farbe auftragen, den Ort des ersten Kontaktes von Walze und Bildträger bestimmen, die Musterwalze etwas drehen, damit sie mit Farbe benetzt ist und richtig liegt, loswalzen. Die Schwammwalze macht die Arbeit über große Flächen möglich, ob an der Wand, auf Leinen oder auf Papier; um häufige Farbwechsel zu vermeiden, arbeite ich immer an mehreren Bildern gleichzeitig. Vor einem Farbwechsel müssen die Schwammwalzen so weit wie möglich trocken gewalzt werden, so entstehen erste Schichten. Eine Rolle halb fertiger Papierarbeiten begleitet mich auf allen Reisen, bereit für weitere Spuren, die sich der Zufälligkeit niemals völlig entziehen können. Manchmal locker und offen, manchmal verdichtet bis zur monochromen Unkenntlichkeit der einzelnen Strukturen. Der Moment, in dem ein Bild fertig ist, lässt sich nur schwer bestimmen. Nicht immer weiß ich es sofort, manche Blätter bleiben lange in Arbeit, ohne dass ich sie verändere, um irgendwann zu erkennen, dass es nichts mehr zu tun gibt.

Aus der Überlagerung verschiedener Walzenmuster entstehen fragmentarische Landschaften, Abschnitte und Ausschnitte. Diese Landschaften entziehen sich dem Überblick, dem großen (Ent-)Wurf. Selbst im großen Format oder auf Wänden sind sie unvollständig, voller Auslassungen, unlogisch und nicht auf einmal erfassbar. Kein Ausblick für Eroberer oder souveräne Gestalter, sondern ein Blick von Mittendrin, das Widerständige und Wilde der Muster (mit-)erlebend. Der Blick verliert sich. Die Arbeit mit Musterwalzen ist noch lange nicht zu Ende.

Fragmentarische Landschaft, Acryl auf Papier, 59 x 84 cm, 2022

(1) Peter Weibel, „Die Malerei in den 90er Jahren zwischen mediatisierter Visualität und Visualität im Kontext“, in: Ders. (Hg.): Pittura/Immedia. Malerei in den 90er Jahren, Ausst.-Kat. Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Klagenfurt: Ritter 1995, S. 13–26, hier S.19.

(2) Carl Aigner, „Von der paradiesischen Kraft des Ornaments. Chaos, Zufall und Ordnung in den Werken von Hannah Stippl“, „Böschung“, Galerie Hilger, Wien 2001.

(3) Adolf Loos, „Ornament und Verbrechen“ (1908), in: Ders.: Sämtliche Schriften in zwei Bänden, Bd. 1, hg. v. Franz Glück, Wien, München: Herold 1962, S.276–288.

(4) Muster und Ornament werden in der Literatur oft synonym verwendet; obwohl sie in ihrer Bedeutung nicht völlig deckungsgleich sind, folge ich dieser Gepflogenheit.

(5) “Loos’s polemic thus exposed some of the most vitriolic tensions within the idea of ornament: a contest between (meaningless) decoration and (meaningful) abstraction, interior and exterior, impure feminine and pure masculine, primitive and modern; the fear that significant form could somehow disintegrate into mere wallpaper, function into futility.” Michelle Kuo, “Postcards from the Edge”, in: Yinka Shonibare MBE, Criminal Ornamentation, London: Hayward Gallery Publishing 2018, S.14–20, hier S.16. (Dt. Übers. H. S.)

(6) Elissa Auther, „Das Dekorative, Abstraktion und die Hierarchie von Kunst und Kunsthandwerk in der Kunstkritik von Clement Greenberg“, in: Jennifer John, Sigrid Schade (Hg.), Grenzgänge zwischen den Künsten. Interventionen in Gattungshierarchien und Geschlechterkonstruktionen, Bielefeld: transcript 2008, S.97–118, hier S.110.

(7) Leon Battista Alberti, Zehn Bücher über die Baukunst / De re aedificatoria (Originalausgabe: Florenz 1485), hier zitiert nach: Frank-Lothar Kroll, Das Ornament in der Kunsttheorie des 19. Jahrhunderts, Hildesheim, Zürich, New York: Olms 1987, S.7.

(8) Theodor W. Adorno, „Funktionalismus heute“, in: Ders., Gesammelte Schriften, Bd. 10.1, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1998, S.382.

(9) Max Weber, Die protestantische Ethik und der „Geist“ des Kapitalismus, Ditzingen: Reclam 2017, S.166.

(10) Ebd., S.114.

(11) Ebd., S.35.

(12) “Nature run wild, the savage: these pernicious mythologies were part and parcel of the colonial age, and ornament became synonymous with the atavistic and depraved.” Michelle Kuo, “Postcards from the Edge”, S.14–20, hier S.16. (Dt. Übers. H. S.)

(13) “Meaningless, purely decorative, never representative”. Owen Jones, The grammar of ornament, London: Bernard Quaritch Ltd. 1868, S.33. (Dt. Übers. H. S.)

(14) Markus Brüderlin, „Einführung: Ornament und Abstraktion“, in: Ders. (Hg.), Ornament und Abstraktion. Kunst der Kulturen, Moderne und Gegenwart im Dialog, Köln: DuMont 2001, S.16–43, hier S.20.

(15) “We don’t know how to read ornament, to move with/against it, heed the feeling-knowledge in its many sensory registral planes, even (unobtusely) parse its symbolic orders—its rich codeword containing quotes of quotes—maybe sometimes to the point of nonsense—of quotes trailing into, not to sound dramatic, time immemorial.” Shola von Reinhold, “Reactions to Ornament”, in: The Drawing Center (Hg.), The Clamor of Ornament. Exchange, Power, and Joy from the Fifteenth Century to the Present, New York 2022, S.198–211, hier S.202. (Dt. Übers. H. S.)

(16) Arnold Stadler, Ausflug nach Afrika, DuMont 2006, S.7.

(17) Vgl. Genevieve von Petzinger, The First Signs. Unlocking the mysteries of the world’s oldest symbols, New York: Atria Paperback 2017, S.148.

(18) Markus Brüderlin, „Einführung: Ornament und Abstraktion“, S.19.

Becoming Forest Yourself (Daphne)

Zur Ausstellung im puuul 22. Juli bis 27. August 2022

Ein Gott verfolgt eine Nymphe, die er begehrt, über Stock und Stein; und sie entzieht sich, indem sie sich in einen Strauch oder Baum verwandelt (denn der Lorbeer kann beides sein) – mehr passiert eigentlich nicht in dieser kleinen mythologischen Geschichte von Apoll und Daphne, die Ovid in seinen »Metamorphosen« erzählt.
— Burkhard Müller: Apoll und Daphne - Geschichte einer Verwandlung

Es ist nur eine kleine mythologische Geschichte, eine Liebesgeschichte noch dazu, die nicht glückt und in der auch nicht viel passiert. Für seine Zusammenfassung der Geschehnisse würde der Lateinprofessor Müller jedenfalls keine Bestnoten bekommen, auch wenn er damit voll im Mainstream liegt. Die verharmlosende Darstellung sexueller Übergriffe sind so alltäglich, dass sie schon beinahe nicht auffallen. Doch dieses Missverhältnis ist nicht der einzige Grund für meine Auseinandersetzung. Dieser liegt in der völlig übersehenen machtpolitischen Bedeutung der sogenannten Vorgeschichte, deren gewaltsame Beendigung so oft in Mythen verarbeitet wird.

Wenn wir Ovids »Metamorphosen« so auf fassen, zeigt er uns durch das schmale Fenster seiner Geschichten eine Perspektive in die Tiefen der Epochen: ein Jahrtausend, das ihm vorausgeht, seit die antike Kultur allmählich aus den Dark Ages aufgetaucht ist und ihre Formen entfaltet hat; zwei Jahrtausende, die ihm seither gefolgt sind bis zu unserer eigenen Gegenwart. (...) Alles, was noch älter ist als jene drei Jahrtausende, besitzt für uns nicht mehr denselben Zauber der Kontinuität und gehört mit Fug und Recht zur Vorgeschichte.
— Burkhard Müller: Apoll und Daphne - Geschichte einer Verwandlung

Was also geschah vor 3000 Jahren, an der Schwelle der Geschichte, in Delphi, dem Mittelpunkt der griechisch-antiken Welt, wo Daphne und Apoll einander treffen?

Es beginnt mit der Ermordung der geflügelten Schlange Python, Kind der Gaia und hellseherische Beschützerin des delphischen Orakels. Geschickt betont Ovid die Rechtmäßigkeit der Heldentat, indem er die Schlange zum ungewollten Kind der Gaia und zur Bedrohung der Menschen erklärt.

Zwar wollte sie diese nicht – doch brachte sie damals auch dich, riesiger Python, hervor; für die neue Bevölkerung warst Du, unbekannte Schlange, etwas Schreckliches, soviel Raum nahmst Du an Masse ein.

Diesen – er war von tausend Pfeilen getroffen und sein Gift lief aus schwarzen Wunden aus – tötete der bogenführende Gott, der solche Waffen bisher nur für flüchtige Gemsen und Rehe benutzt hatte; sein Köcher war fast leer.
— Ovid

Der jugendliche Held, voller Stolz wegen des Sieges über die Schlange, verhöhnt Amor, der sich mit einem Liebespfeil in Apolls Richtung revanchiert: Völlig entlastet von jeder Verantwortung entbrennt der mächtige Gott in Liebe zu Daphne. Doch sie, Jägerin, Nymphe, Priesterin der Gaia oder einfach selbstständige Frau, will von keinem Mann etwas wissen, auch wenn das nicht einfach durchzusetzen ist.

Viele haben sich um sie bemüht, doch sie blieb abgeneigt, duldet die Bewerber nicht und durchstreift ohne einen Mann die abgelegenen Wälder; auch kümmert sie weder Ehe, noch Liebe, noch Beischlaf.
— Ovid

Doch Frauen können nicht (mehr) für sich stehen, sondern sind Eigentum der Männer, Väter, Ehemänner, Söhne. Ehe und Fortpflanzung sind ihre Pflicht, freie Bewegung oder Entscheidungen sind für sie nicht vorgesehen. Doch es gibt ein Schlupfloch: das Gefolge der Jägerin Artemis/Diana.

Auf Diana beruft sich Daphne denn auch ihrem Vater gegenüber; und der ist weichherzig und schwach genug, es ihr zu gewähren.
— Burkhard Müller: Apoll und Daphne - Geschichte einer Verwandlung

Der Vater gesteht Daphne widerwillig Unabhängigkeit zu, was der Lateinexperte als Schwäche auslegt. Doch dem Apoll ist ihre Meinung völlig gleichgültig. Sie flüchtet, er redet: von seiner Macht, seiner Herkunft, seiner Liebe, er schmeichelt und droht; sie läuft bis zur Erschöpfung. Als letzten Ausweg sieht sie nur die Möglichkeit sich der Schönheit zu entledigen, die sie in diese Lage gebracht hat.

Zerstöre die Gestalt, in der ich allzusehr Gefallen erregt habe, durch eine Verwandlung.

Kaum ist die Bitte ausgesprochen, befällt eine schwere Starre die Glieder, die weiche Brust wird von zartem Bast umschlungen, die Haare werden zu Laub, die Arme zu Zweigen, der eben noch so flinke Fuß bleibt in zähen Wurzeln stecken, das Gesicht trägt einen Baumwipfel: Es bleibt ihr als letzter Rest von Schönheit.

Auch so liebt sie Apoll und seine rechte Hand, die er an den Stamm gelegt hat, spürt noch immer das Herz unter der frischen Rinde beben. Nachdem er die Zweige wie Glieder mit seinen Armen umfangen hat, gibt er dem Holz Küsse; das Holz freilich weicht den Küssen aus.
— Ovid

Daphne entzieht sich dem Übergriff radikal - sie schlägt Wurzeln, verholzt, wird zur Pflanze, zum Lorbeerbaum. Und trotzdem wird sie zur Beute, wenn nicht als Frau, so doch als Baum, Material und Zeichen zugleich. Als Lorbeer wird die besiegte Daphne zum Symbol für männliche Macht - bis heute. “(…) mehr passiert eigentlich nicht in dieser kleinen mythologischen Geschichte von Apoll und Daphne (…)”. Die Liebesgeschichte maskiert die Geschichte der Machtübernahme des Sonnengottes über das Orakel in Delphi, jenem Ort, wo die antike Welt Rat suchte. Damit sind die Macht und damit einhergehende Faszination des Medienmoguls Apoll bis heute gewährleistet. Er wird zum wandlungsfähigen Vorbild von Ludwig XIV. bis Jeff Koons. Die Verachtung der Erde inklusive - nicht umsonst tragen diverse “Raummissionen” den Namen Apollos, und so ist es auch kein Zufall, dass gleichzeitig mit Koons Ausstellung “Apollo” im Schlachthaus auf Hydra seine Kunstwerke ins All geschickt werden (sollen).

How To Become A Tree (Daphne), Ausstellungsansicht 2022, Foto Matthias Nemmert

Ein Streich von Eros, eine Parabel über die Macht der Liebe, oder doch, die Liebe zur Macht? Eine Geschichte kaschiert eine andere: Die Liebesgeschichte übertönt die Geschichte der Unterwerfung der Gaia,der gewaltsamen Übernahme der Ressourcen und ihrer Verfügbarmachung,bis zur Zerstörung: eine fatale Niederlage der Erde. Wo Ovids Geschichte der Daphne endet, dort beginnen viele neue Erzählungen, Interpretationen und das Anthropozän. Die Geschichte der Daphne bleibt präsent als Samenkorn, bereit zur Keimung.

How To Become A Tree (Daphne), Ausstellungsansicht 2022, Foto Matthias Nemmert

Der wilde Garten

Auszug aus einen Text von Norbert Philip, für Die Presse Schaufenster

Meine Bilder sind Gärten, und Gärten sind immer auch Bilder.

Die Künstlerin Hannah Stippl irgendwie auch im Garten aufgewachsen. Viel Zeit hat sie als Kind draußen verbracht, im Freiraum zwischen dem Haus ihrer Großeltern und dem Bahndamm, auf dem die Züge aus Wien Richtung Süden donnern, in Perchtoldsdorf. Dort, wo alles fein parzelliert und abgezirkelt in der suburbanen Landschaft liegt, ist Stippl in ihre Beziehung mit Natur, Landschaft und Leben hineingewachsen. “Heute noch bemerke ich, wie die Perspektive aus dem Garten auf die schräge Wiese des Bahndamms in vielen meiner Bilder auftaucht”, erzählt Stippl.

Und irgendwie ist auch ihr Kopf ein Dickicht, ein Garten, wo alles, wenn man es nur lässt und nicht beschneidet, sich gegenseitig überwuchert. Stippl lässt das bewusst geschehen. Das Philosophische, das Künstlerische, das Leben, alles darf sich überwachsen. Ihre Bilder seien Gärten, sagt sie. Und Gärten immer auch Bilder. Dabei legt sie ihren Arbeiten auch immer gern ein paar Worte und Gedanken bei. Schließlich hat Stippl auch Philosophie studiert. “Wir leben doch in einer Welt, in der alles in Dualismen aufgeteilt scheint. Wie etwa hier Natur, dort Kultur. Aber daran glaube ich nicht”, sagt Stippl. Im Garten kommt sowieso alles zusammen, was die Menschen beschäftigt. Und selbst Tod und Leben existieren hier nicht getrennt voneinander, sondern überblenden. “Dazu muss man nur vor einem Komposthaufen stehen und überlegen, wo fängt es an, wo hört es auf.” In Elsbach, unweit von Wien, hat Stippl selbst einen Garten. Einen, der, wie sie meint, auch von manchen “Ungärten” umgeben ist, in denen die “Liebe zum Lebendigen” konterkariert wird. Nämlich wenn die Mähroboter, Kettensägen und Heckenscheren das Leben regelmäßig beschneiden. Oder Bäume erst fallen müssen, damit danach die Sonnenschirme die Menschen künstlich vor der Hitze schützen müssen. “Manchmal stelle ich wirklich eine Art Feindschaft gegenüber dem Lebendigen im Garten fest”, meint Stippl. Vielleicht weil es viel schwieriger sei, “den Garten lebendig zu machen”.

Gärten kommen ganz gut ohne den Menschen zurecht. Auf dem Grundstück von Hannah Stippl darf der Garten auch viel Zeit mit sich selbst verbringen. Letztes Jahr war die Künstlerin ein halbes Jahr im Ausland; als sie zurückkam, war der Garten übersät mit Nachtkerzen. Ein faszinierendes Bild, das die Natur selbst geschaffen hat. Die Bilder, die Stippl schafft, sind auch überwachsen von organischen Eindrücken und Gedanken. Zuletzt beschäftigte sie sich gern mit Mythologien. Etwa mit der Figur der Daphne, die sich auf der Flucht vor Apollo in einen Baum verwandelt. Als Ausgangspunkt für eine gedankliche und visuelle Auseinandersetzung mit dem Verhältnis der Menschen zur Natur, die sie sie mit Farbe durch Sprühschablonen wie zuletzt auch typografisch auf Papier bringt.

Interview with Michela Codutti

Interview with Michela Codutti

Art is the most important form of communication. Especially all forms of visual art, not just “high art”, but every form of visible creation, whether it is painting, sculpture, architecture or one of the so-called folk or applied arts.

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Einladung zur Ausstellung

Einladung zur Ausstellung

Die Natur, trotz ihrer evolutionären Veränderung von unveränderlichen Gesetzen beherrscht, als verlässliches und manchmal auch unberührtes Gegenüber des Menschen gibt es nicht mehr. Hat es sie je gegeben?

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Entangled, postponed

Überlegungen zu einer Ausstellung im basement, die coronabedingt erst 2021 eröffnet werden kann.

LAB 2020 - processive / empirical: Elisabeth Falkinger & Hannah Stippl

Heute, am 27. November 2020, hätte die Ausstellung eröffnet werden sollen, der gemeinsame Arbeitsprozess sichtbar gemacht werden sollen, jene Arbeiten vereint werden, die 2020 entstanden sind. Lockdown, Reisebeschränkungen und Unsicherheit, Covid-19 also, haben bereits die Entstehung dieser Arbeiten begleitet. Nun, der Prozess wird noch länger dauern. Was, wenn man auf einen Ausstellungstermin hinarbeitet, dieser zuerst unsicher wird, dann unmöglich? Die paar Tage bis nach dem Lockdown abwarten? Oder gleich auf 2021 verschieben, denn unsicher ist auch, ob es im Dezember möglich sein wird Ausstellungen in nicht kommerziellen Räumen zu eröffnen. "Entangled" bekommt für diese Ausstellung eine zusätzliche Bedeutung - verstrickt in die Unklarheit der Gegenwart, die Unberechenbarkeit der Covid-19 Massnahmen und das Unding der Pandemie. Die Ausstellung wird eröffnet werden, wenn es wieder möglich ist. Coming soon…

It is interesting to contemplate an entangled bank, clothed with many plants of many kinds, with birds singing on the bushes, with various insects flitting about, and with worms crawling through the damp earth, and to reflect that these elaborately constructed forms, so different from each other, and dependent on each other in so complex a manner, have all been produced by laws acting around us.
— Charles Darwin: The Origin of Species. 1859

Charles Darwin leitet den letzten Absatz seines Buches "The Origin of Species" mit der Betrachtung einer dicht bewachsenen Uferböschung ein. "Entangled" wird in der deutschen Version von Darwins Text mit "dicht bewachsen" übersetzt, doch die Bedeutung des Wortes ist umfangreicher: "Entangled" kann man mit verwickelt, verwoben oder verschränkt übersetzen; "to entangle" heißt umschlingen, verwirren, verfangen, sich verheddern, verstricken. Es beschreibt immer eine Form der engen, aber nicht leicht durchschaubaren und ambivalenten Verbundenheit. 

Darwin betrachtet das Uferdickicht mit einer Mischung aus Bewunderung, Scheu und Distanz. Die "kunstvoll gestalteten Formen" sind zwar in "vielschichtiger Weise voneinander abhängig", doch die Gesetze wirken "fortwährend um uns", den die Natur betrachtenden Menschen. Dieser naiv-moderne Beobachter ist nicht Teil der Natur und in keiner Weise mit der Uferböschung verbunden, er kann in Ruhe darüber nachdenken. Und er kann darüber verfügen, über die Betrachtung ebenso wie über den eigentlichen Ort. Wäre es  an dieser Stelle sinnvoller gewesen "interesting" mit gewinnbringend zu übersetzen? 

Erst langsam begreifen wir die wahre Tragweite unserer Verbindung. Ist das von Darwin so reizvoll beschriebene Ufer schon bedeckt von Plastikmüll, den Ölschlieren des letzten Schiffsunglücks oder Teil eines Ferienresorts? "Entangled" kann man längst nicht mehr mit "dicht bewachsen" übersetzen. Die Natur, trotz ihrer evolutionären Veränderung von unveränderlichen Gesetzen beherrscht, als  verlässliches und manchmal auch unberührtes Gegenüber des Menschen gibt es nicht mehr. Hat es sie je gegeben? Die ökologische Krise ist nicht nur eine Krise der Natur, sie ist in gleichem Ausmaß eine Krise der Kultur. Das ändert alles. Mensch und Natur sind verbunden. Six degrees of separation - betrifft das auch unsere Beziehung zu den Bäumen des Amazonas, den Enten der Moldau oder den Delphinen vor der Küste Spaniens? Wenn der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Tornado in Texas auslösen kann, ist es auch möglich mit einem in Texas achtlos weggeworfenen Kaffeebecher diesen Schmetterling tödlich zu treffen? Diese ununterscheidbare Vermischung von Natur und Kultur zu hybriden Objekten steht im Zentrum der Arbeiten von Elisabeth Falkinger und Hannah Stippl. 

"Entangled" heißt: Wir leben inmitten eines komplizierten Netzwerkes aus zahllosen Dingen und Lebewesen, verstrickt in die globalen Auswirkungen des Kapitalozäns, als dessen Abgesandter Darwin die Erde bereist hat. 

so viel und doch kein vergleich
im fluss, am fluss, durch den fluss, fluss abwärts
hoch, tief, alles schlamm
— Elisabeth Falkinger: SCHOPPEN

Elisabeth Falkingers Arbeit "SCHOPPEN" ist während eines AIR Aufenthalts in Krumau entstanden. Auch sie betrachtet eine "entangled bank", das Ufer der Moldau, Boote, Enten, Mauern. Nur alltägliche Szenen, nur Schlamm. Zarte, kleinformatige Zeichnungen dokumentieren fragile, hastig festgehaltene Beobachtungen. 

Eine belebte Welt, eine Erde, die unter den Schritten vibriert, keinerlei wiedererkennbare Landschaft, keinerlei anerkannte Autorität, ein fürchterliches Gemisch, Hybride in Hülle und Fülle, zusammenhanglose Elemente aus Wissenschaft, Industrie und Technik.
— Bruno Latour: Facing Gaia

Hannah Stippls Arbeit "Wie von der Erde sprechen" ist während des Corona-Lockdowns in Spanien entstanden. Im Zentrum steht die Beschäftigung mit Bruno Latours Analyse der Klimakrise in "Facing Gaia". Fragen, die sie wochenlang umkreist, bilden die Grundlage ihrer Arbeit. Was tun? Die Malerei wird zum Tagebuch einer eskalierenden Situation, einer Welt zwischen Schock und Panik.

 Die gemeinsam erarbeitete Installation verschränkt die beiden so unterschiedlichen Arbeiten zu einem undurchdringlich verwobenen Ganzen, abseits der weißen Wände. Bilder und Zeichnungen überlagern einander, sind nicht mehr als einzelne Objekte sondern nur als vielstimmiges Ganzes lesbar. "Entangled" heißt hier verbunden, umschlungen und, nicht zuletzt, dicht bewachsen.

Was tun? Wir drehen also den Trailer zur Ausstellung "Entangled". Die Ausstellung eröffnen wir nächstes Jahr.


basement, Grundsteingasse 8, 1160 Wien

Momente des Gelingens

Überlegungen zu KLASSE KUNST - Gemischte Gefühle von Dagmar Höss & Astrid Hofstetter in der Landesgalerie Linz

Gemischte Gefühle. Die Schritte hallen ein wenig im Raum. Der breite, steinerne Stiegenaufgang der Ladengalerie Linz hilft den BesucherInnen in die angemessen ehrfürchtige Haltung wie in einen gut geschnittenen Mantel. Gedämpfte Stimmen. Die Architektur vermittelt die unkomplizierte Sicherheit des 19. Jahrhunderts, dass im Museum - und überhaupt - die Welt geordnet werden kann. Von Stufe zu Stufe schwinden innere Widerstände und Skepsis,

frei vom Gefängnis des Alltags, frei vom Gefängnis der konventionellen Aufmerksamkeit, frei von Rücksichten kann und darf man die Welt betrachten.
— Horst Rumpf: Die Gebärde der Besichtigung.

Vorfreude und Kontrollverlust setzen ein, eine Trance des Passiven. Das also kann das Museum. Kein Wunder, wenn die Besucherzahlen steigen und wenn das Museum eines der populärsten bürgerlichen Genussmittel der Gegenwart ist. Doch Museen sind Mikrokosmos mit zahllosen geschriebenen und ungeschriebenen Regeln, kleinen Ritualen und sozialen Codes, die es zu beherrschen gilt. In ihnen, folgt man Pierre Bourdieu, wird nicht nur soziales Kapital erworben, sondern man bedarf bereits dieses Kapitals, um den exklusiven Ort zu betreten, und selbst steigende Besucherzahlen können darüber nicht hinwegtäuschen. Die Formen dieser Exklusivität deutet Michael Matthes an, wenn er, optimistisch aber unrichtig, meint,

dass es (das Museum) keine Einschränkungen für seinen Besuch kennt, außer der Forderung nach selbständiger Bewegungsfähigkeit, nach Rücksicht auf andere Besucher, dem Verbot die ausgestellten Gegenstände zu berühren und weder Tiere noch Spielzeuge und Esswaren sowie Getränke in die Ausstellungen mitzunehmen.
— Michael Matthes: Das Museum - mehr als ein Ort der Wissensvermittlung.

Das Museum ist kein Kindergarten. Was nach maximaler Offenheit klingt, beschränkt den Besuch jedoch auf jene, die sich in diesem Umfeld zu bewegen wissen. Das Verhalten in Ausstellungen folgt eingeübten Handlungsabläufen, von Gesten und subtilen Hinweisen gesteuert, deren Befolgung durch die wechselseitige Beobachtbarkeit und das Aufsichtspersonal sichergestellt wird. Museen sind Orte umfassender Disziplin und Disziplinierung, sie schaffen Ordnungsmuster, die ihre BesucherInnen kognitiv und körperlich prägen und zu kulturellen “Selbstverständlichkeiten” werden. Die Bewegungen der BesucherInnen folgen einer Choreographie der Neugierde, ein Blick hier und da, dem Exponat nicht zu nahe kommen.

Üblicherweise weiß man, wann man, bei welchen Objekten (...) diesen Blick und die ihm entsprechende Gestimmtheit gewissermaßen anzuknipsen hat; man weiß, wo man in die Gebärde der Besichtigung zu verfallen hat - und wo nicht.
— Horst Rumpf: Die Gebärde der Besichtigung.

Nichts berühren! Nicht berührt werden! In Untersuchungen zum Besucherverhalten zeigte Erving Goffman, dass BesucherInnen durch die Position und Körperhaltung, die sie in Bezug auf ein Ausstellungsstück einnehmen, anderen anzeigen, womit sie sich gerade beschäftigen und auf diese Weise auch einen Raum in der Ausstellung besetzen, den andere nicht ohne weiteres betreten können. “Rücksicht” zu nehmen verlangt, diese Regeln zu kennen und zu beachten. Für den Unwissenden bleibt das Museum verschlossen.

Das stellt die Vermittlung vor eine zweifache Herausforderung: Zunächst gilt es einerseits die Herausbildung von traditionellen Handlungsmustern zu unterstützen, um eben auch nicht von vornherein mit dem nötigen sozialen Kapital ausgestatteten Besuchergruppen den souveränen Zugang zu ermöglichen, das wiederkehrende, ritualisierte Verhalten einzuüben, andererseits aber auch genau diese Verhaltensmuster aufzubrechen und so neue Zugänge zu schaffen. Das Museum als Lernort, und als Ort an dem Faktenwissen vermittelt, dieses Wissen hinterfragt und neu verhandelt wird. Die Aufgabe erscheint paradox und ist fast unmöglich zu bewältigen. Wie ist es möglich, gleichzeitig mehrere Positionen zu vertreten, anzusprechen, verschiedene Herangehensweisen in einer Ausstellung zu vertreten, uneinheitliche Befehle zu erteilen?

Und dann, sobald man die hohe, schwere Tür zur Ausstellung öffnet: Schock. KLASSE KUNST ist für den Betrachter ein hoch kompliziertes Gebilde: Was ist Kunst, was Vermittlungsprogramm? Knallorange die Wand, Neonleuchten. Die Ausstellung ist laut, grell, herausfordernd. Wo bin ich hier? Was ist zu betrachten, was nicht? Und wie? Mit welchem Abstand, wo braucht es Ruhe, wo ist Diskussion gefordert, wo soll man zugreifen, wo die Finger davon lassen? Welche Kunst ist offen für den handgreiflichen Gebrauch, was gehört zum Vermittlungsprogramm? Soll man die CD-Player betrachten oder starten, ist dieser Lärm im Museum angebracht, darf ich jetzt Musik hören, und wenn, nur diese oder auch andere? Gemischte Gefühle. Laut, unübersichtlich, grellbunt. Alles ist miteinander verbunden, ergänzt und widerspricht einander. Zwischen den Portraits auf verspiegelten Wänden schaut man sich selbst ins Gesicht. Dumpfes Stimmengewirr, ein Chaos der Verweise. Und doch, ein großes Ganzes, in dem die einzelnen Bestandteile nicht als Beleg oder Illustration einer übergeordneten Idee dienen, sondern miteinander vielschichtig und durchaus auch widersprüchlich kommunizieren. Kennst Du das?

Die Ausstellungen der Reihe KLASSE KUNST sind ungewöhnlich. Mit ihnen verschieben Dagmar Hass und Astrid Hofstetter die üblichen Grenzen des institutionellen Ausstellungsbetriebes. Jede der Ausstellungen ist von der Themenstellung über die Werkauswahl bis hin zur Gestaltung aus den Erfahrungen und Ideen der Vermittlungsarbeit heraus konzipiert. Dieses Vorgehen eröffnet völlig neue Möglichkeiten der Ausstellung als Gesamt(Kunst)werk, als eine alle Sinne so umfassend wie nur möglich mit einbeziehende, materiale, visuelle und körperliche Kommunikationsform, die sprachliche Kommunikation fordert und fördert.

Museen sind Orte der Alteriert, sie konfrontieren ihre BesucherInnen mit dem Andersartigen, das als konstitutives Außen nicht nur Bedingung der Möglichkeit von Identität ist, sondern zugleich immer auch ein Teil derselben. Ob vergangene Zeiten oder fremde Gedankenwelten, per se nicht greifbar, Natur oder Kunst, sie werden in musealen Ordnungen materialisiert und scheinbar selbstverständlich organisiert. Jedes Museum, jede Sammlung, jede Ausstellung zeigt den Entwurf einer Weltordnung. Dabei sind diese Entwürfe nie ein neutrales Fundament, auf dem das Haus der Kultur ruhen könnte, denn Selektieren und Systematisieren verfolgen bewusste und oft genug zweifelhafte Ziele. Wenn Leidenschaft und Interesse schließlich verschwinden, werden Museen zu Stätten der bürgerlichen Bildung, zu Tempeln der Aufklärung, in denen mythologische Wesen, Heilige und vergangene Herrscher ihr staubiges Zuhause haben. Alles wird hier kontrolliert und hat sich dieser Kontrolle zu fügen, einschließlich der Raumtemperatur und der objektschonenden Beleuchtung. Jedes Ding hat seinen präzise definierten Platz, und das nicht nur räumlich. Subjektive Erzählungen werden von den Dingen getrennt, um sie in die Sammlungen passender Disziplinen der Natur- oder Kunstgeschichte einzuordnen und in Ausstellungen immer wieder neue Erzählungen zu schaffen. Doch diese fugenlose Ordnung ist längst brüchig geworden. Das Museum birgt in sich den Keim einer “schlimmeren Unordnung”, wie Michel Foucault befürchtet:

Das wäre die Unordnung, die die Bruchstücke einer großen Anzahl von möglichen Ordnungen in der gesetzlosen und umgeometrischen Dimension des Heterokliten aufleuchten lässt.
— Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge.

Verschiedene, alternierende Ordnungen im Museum, widersprüchliche Standpunkte, logische Brüche, nicht zu Ende geführte Gedanken. Das Stolper und Lachen, das das dort eigentlich nichts zu suchen hat, andere Möglichkeiten des Fragestellers und Erzählens, die aus der Geschichte wieder Geschichten machen, hier finden die BesucherInnen Freiräume im Museum. Aus der Dichotomie von Alteriert und Identität als einander bedingende Momente wird so, ineinander verschlungen, mehrfach gebrochen, ein weites Feld der Möglichkeiten, der Einsichten. Museen trösten nicht, sie öffnen keinen “wunderbaren und glatten Raum”, ganz im Gegenteil:

Sie lösen die Mythen auf ...
— Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge.

und jede Neuordnung, das heißt, jede neue Ausstellung bietet die Möglichkeit, diese kulturellen Selbstverständlichkeiten, hegemonialen Sichtweisen und blinden Flecken zu hinterfragen.

Gemischte Gefühle. Der Ausstellungstitel scheint genial gewählt, denn nur selten werden gemischte Gefühle so begrüßt. Unsicherheit für alle! Denn während der bereits geübte Besucher normalerweise recht mühelos die zu betrachtende Kunst von den nicht zu betrachtenden Objekten unterscheiden kann, erweist sich der Fall hier als schwieriger. Kann man auf den Objekten im Raum sitzen? Wie weit kann man über das Dargebotene verfügen? Und da ist noch Musik, die wirr durcheinander schallt, ist sie Teil einer Installation? Neonlicht und Flachware? Und dazu noch die Unsicherheit, die einen bei der genaueren Betrachtung der vielen emotionalen Situationen überfällt: Wie genau können wir diese überhaupt lesen, worauf wollte der Künstler, die Künstlerin hinaus? Geht es um die Gefühle der KünstlerInnen, die Gefühlslage der Werke oder aber um die Wirkung auf die BetrachterInnen? Um alle miteinander? Es scheint als würde ein einziges Gefühl hier ganz klar ausgemerzt: Keine Einfachheit, kein souveräner Zugriff, kein Gefühl recht zu haben. Das ist kein Verlust, kein Versagen, denn es trifft im Kern das, was Ausstellungen tun sollten: Uns den festen, sicheren Boden unter den Füßen wegziehen und uns bewusst machen, wie holprig und vielfältig, ja um wieviel reicher das Terrain ist, auf dem wir uns bewegen.

Es macht Spass sich hier aufzuhalten, Kunst anzusehen, andere BesucherInnen zu beobachten und sich auf die angebotenen Vermittlungsmaterialien einzulassen. KLASSE KUNST löst ein, was eine britische Bildungskampagne fordert:

Lernen beruht auf Eigeninitiative und dem Sammeln von Erfahrung. Menschen lernen, wenn sie der Welt Sinn verleihen wollen. Lernen kann aus der Erfahrung der Fähigkeiten, des Wissens, desVerständnisses, der Werte und Normen, der Gefühle, der Einstellung und der Reflexionsfähigkeit bestehen. Effektives Lernen löst Veränderung, Entwicklung und den Wunsch aus weiter zu Lernen.

Es ist Zeit zu gehen. Ein Besuch im Museum verändert nicht viel, denn die etablierten Wissensregime und Betrachtungsgewohnheiten sind fest verankert und schwer aus den Angeln zu heben. Selbst Schock und Skandal haben sich verbraucht. Kann Kunst die Welt verändern oder die Gesellschaft fundamental berühren? Kann der Besuch einer Ausstellung das Leben in neue Bahnen lenken? Ja, sie kann. Es ist leicht die Kunst zu überfordern und Veränderungen zu unterschätzen. Es geht nicht um den großen Zaubertrick, um die Manipulation der BetrachterInnen, sondern um die kleine Erschütterung, die den Standpunkt ein wenig, fast unmerklich verrücken lässt. Der Erfolg stellt sich für Momente ein, in denen Kommunikation stattfindet, Interesse aufleuchtet, sich Widerstand regt. Momente des Gelingens, in denen wir, verrückt, unseren verworrenen Alltag, unsere Vorurteile und unseren Handlungsspielraum wahrnehmen. Was wissen wir wirklich? Wessen sind wir uns sicher? Gibt es da nicht noch viel mehr zu entdecken? Wozu sich Kunst ansehen? Gemischte Gefühle. Das Museum ist kein Kindergarten. Warum eigentlich nicht?


Veröffentlicht in KLASSE KUNST hoch 5, Landesgalerie Linz 2017