Metamorphosen
basement wien & puuul an einem Tisch
Mit Marianne Lang (A), Claudia-Maria Luenig (A), Yvonne Kendall (D), Elena Panayotova (BGR) und Hannah Stippl (A)
Alles wandelt sich, nichts bleibt wie zuvor: Die diesjährige Ausgabe der PARALLEL EDITIONEN unter dem Zeichen der Veränderung und der Gemeinsamkeit. Das bringt zwei Ausstellungsräume und fünf Künstlerinnen an einen Tisch.
Ausstellung
Donnerstag | 12. Mai 2022, 12:00 – 22:00 Uhr
Freitag - Sonntag | 13. bis 15. Mai 2022, 12:00 – 20:00 Uhr
Ort | Atelierhaus der Akademie der bildenden Künste Wien (ehem. Semperdepot), Lehárgasse 6-8, 1060 Wien
“How to Become a Tree (Daphne)”
Es geht um die Geschichte von Daphne und Apoll, ihre bekannteste Version erzählt Ovid in seinen Metamorphosen, doch es gibt noch zahlreiche weitere antike Quellen und Versionen. Im Zentrum der Erzählung steht meist die unglückliche, weil unerwiderte Liebe des Gottes Apoll zur Nymphe Daphne, die sich einer Vergewaltigung nur durch ihre Verwandlung in einen Lorbeerbaum entziehen kann. Die Schuld dafür gibt Ovid dem Eros, dargestellt als zorniges Kind, das seine Macht demonstrieren will. Doch handelt es sich wirklich nur um ein unglückliches Zusammentreffen, das der Liebe der beiden im Weg steht?
In der Serie von Arbeiten “How to Become a Tree (Daphne)” gehe ich dieser Frage nach, versuche die Liebesgeschichte zu dekonstruieren und Fragen und Alternativen zu bieten. Ist Liebe nicht oft nur eine beschönigende Formulierung um die Macht zu übernehmen?
Eine junge Frau namens Daphne
Wer war Daphne? Laut Ovid ist sie eine Nymphe, aus dem Gefolge der Artemis, anderen Quellen zufolge ist sie Priesterin im Heiligtum der Gaia in Delphi oder sogar selbst eine Göttin. In jedem Fall war sie eine junge Frau ohne Interesse an einer Ehe, die unter dem Druck einer zunehmend patriarchalen Gesellschaft geriet.
Ein junger Mann namens Apoll
Ein Usurpator, der vorgibt jene zu retten, die er doch eigentlich mit Gewalt erobert: Diese rhetorische Figur hat schon in der Antike funktioniert und tut es wohl noch immer. Apoll tötet die Schlange Python, die das Heiligtum der Erde in Delphi bewacht, weil sie (angeblich) die Bevölkerung terrorisiert, und macht sich selbst kurzerhand zum zentralen Gott und Besitzer des wichtigsten Orakels der Antike.
Damit ist Apoll Herr der Geschichte, zeitgenössisch formuliert ein Medienmogul. Als Zeichen des Sieges trägt er einen Kranz aus Eichenlaub, jenem Baum, der seinem Vater heilig ist. Handelt er im Auftrag? Noch ist Gaia nicht vollständig besiegt.
Besitz und Liebe
Denn da gibt es noch diese Frau, Daphne, die sich dem Regime nicht unterwerfen will, weder durch Schmeichelei noch durch Drohung umzustimmen ist. Und da ist der heilige Baum des Orakels, der Lorbeer, der vereinnahmt werden muss. Apoll will sie haben und verfolgt die Flüchtende bis zur Erschöpfung. Wäre sie nicht so schön, wer würde sie schon verfolgen?
Als talentierter Propagandist des Patriarchats gibt Ovid Daphnes Schönheit die Schuld an der Verfolgung. Sie hätte den Gott nicht mit ihren Reizen zu solcher Begierde reizen dürfen. Klingt bekannt, oder?
Daphne verwandelt sich in einen Lorbeerbaum. Das verhindert zwar den sexuellen Übergriff, nicht aber die totale Vereinnahmung durch Apoll:
Ein Streich von Eros, eine Parabel über die Macht der Liebe, oder doch, die Liebe zur Macht? Eine Geschichte kaschiert eine andere: Die Liebesgeschichte übertönt die Geschichte der Unterwerfung der Gaia, der gewaltsamen Übernahme der Ressourcen und ihrer Verfügbarmachung, bis zur Zerstörung: die fatale Niederlage der Erde. Wo Ovid endet, dort beginnen viele neue Erzählungen, Interpretationen und das Anthropozän.