Überlegungen zu einer Ausstellung im basement, die coronabedingt erst 2021 eröffnet werden kann.
LAB 2020 - processive / empirical: Elisabeth Falkinger & Hannah Stippl
Heute, am 27. November 2020, hätte die Ausstellung eröffnet werden sollen, der gemeinsame Arbeitsprozess sichtbar gemacht werden sollen, jene Arbeiten vereint werden, die 2020 entstanden sind. Lockdown, Reisebeschränkungen und Unsicherheit, Covid-19 also, haben bereits die Entstehung dieser Arbeiten begleitet. Nun, der Prozess wird noch länger dauern. Was, wenn man auf einen Ausstellungstermin hinarbeitet, dieser zuerst unsicher wird, dann unmöglich? Die paar Tage bis nach dem Lockdown abwarten? Oder gleich auf 2021 verschieben, denn unsicher ist auch, ob es im Dezember möglich sein wird Ausstellungen in nicht kommerziellen Räumen zu eröffnen. "Entangled" bekommt für diese Ausstellung eine zusätzliche Bedeutung - verstrickt in die Unklarheit der Gegenwart, die Unberechenbarkeit der Covid-19 Massnahmen und das Unding der Pandemie. Die Ausstellung wird eröffnet werden, wenn es wieder möglich ist. Coming soon…
Charles Darwin leitet den letzten Absatz seines Buches "The Origin of Species" mit der Betrachtung einer dicht bewachsenen Uferböschung ein. "Entangled" wird in der deutschen Version von Darwins Text mit "dicht bewachsen" übersetzt, doch die Bedeutung des Wortes ist umfangreicher: "Entangled" kann man mit verwickelt, verwoben oder verschränkt übersetzen; "to entangle" heißt umschlingen, verwirren, verfangen, sich verheddern, verstricken. Es beschreibt immer eine Form der engen, aber nicht leicht durchschaubaren und ambivalenten Verbundenheit.
Darwin betrachtet das Uferdickicht mit einer Mischung aus Bewunderung, Scheu und Distanz. Die "kunstvoll gestalteten Formen" sind zwar in "vielschichtiger Weise voneinander abhängig", doch die Gesetze wirken "fortwährend um uns", den die Natur betrachtenden Menschen. Dieser naiv-moderne Beobachter ist nicht Teil der Natur und in keiner Weise mit der Uferböschung verbunden, er kann in Ruhe darüber nachdenken. Und er kann darüber verfügen, über die Betrachtung ebenso wie über den eigentlichen Ort. Wäre es an dieser Stelle sinnvoller gewesen "interesting" mit gewinnbringend zu übersetzen?
Erst langsam begreifen wir die wahre Tragweite unserer Verbindung. Ist das von Darwin so reizvoll beschriebene Ufer schon bedeckt von Plastikmüll, den Ölschlieren des letzten Schiffsunglücks oder Teil eines Ferienresorts? "Entangled" kann man längst nicht mehr mit "dicht bewachsen" übersetzen. Die Natur, trotz ihrer evolutionären Veränderung von unveränderlichen Gesetzen beherrscht, als verlässliches und manchmal auch unberührtes Gegenüber des Menschen gibt es nicht mehr. Hat es sie je gegeben? Die ökologische Krise ist nicht nur eine Krise der Natur, sie ist in gleichem Ausmaß eine Krise der Kultur. Das ändert alles. Mensch und Natur sind verbunden. Six degrees of separation - betrifft das auch unsere Beziehung zu den Bäumen des Amazonas, den Enten der Moldau oder den Delphinen vor der Küste Spaniens? Wenn der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Tornado in Texas auslösen kann, ist es auch möglich mit einem in Texas achtlos weggeworfenen Kaffeebecher diesen Schmetterling tödlich zu treffen? Diese ununterscheidbare Vermischung von Natur und Kultur zu hybriden Objekten steht im Zentrum der Arbeiten von Elisabeth Falkinger und Hannah Stippl.
"Entangled" heißt: Wir leben inmitten eines komplizierten Netzwerkes aus zahllosen Dingen und Lebewesen, verstrickt in die globalen Auswirkungen des Kapitalozäns, als dessen Abgesandter Darwin die Erde bereist hat.
Elisabeth Falkingers Arbeit "SCHOPPEN" ist während eines AIR Aufenthalts in Krumau entstanden. Auch sie betrachtet eine "entangled bank", das Ufer der Moldau, Boote, Enten, Mauern. Nur alltägliche Szenen, nur Schlamm. Zarte, kleinformatige Zeichnungen dokumentieren fragile, hastig festgehaltene Beobachtungen.
Hannah Stippls Arbeit "Wie von der Erde sprechen" ist während des Corona-Lockdowns in Spanien entstanden. Im Zentrum steht die Beschäftigung mit Bruno Latours Analyse der Klimakrise in "Facing Gaia". Fragen, die sie wochenlang umkreist, bilden die Grundlage ihrer Arbeit. Was tun? Die Malerei wird zum Tagebuch einer eskalierenden Situation, einer Welt zwischen Schock und Panik.
Die gemeinsam erarbeitete Installation verschränkt die beiden so unterschiedlichen Arbeiten zu einem undurchdringlich verwobenen Ganzen, abseits der weißen Wände. Bilder und Zeichnungen überlagern einander, sind nicht mehr als einzelne Objekte sondern nur als vielstimmiges Ganzes lesbar. "Entangled" heißt hier verbunden, umschlungen und, nicht zuletzt, dicht bewachsen.
Was tun? Wir drehen also den Trailer zur Ausstellung "Entangled". Die Ausstellung eröffnen wir nächstes Jahr.
basement, Grundsteingasse 8, 1160 Wien