Die Wände meines Kinderzimmers waren rosa, bedeckt mit weißen, gewalzten Blumenmustern. Keine Liebe auf den ersten Blick. Der Versuch sie mit dem Schwarz aus meinem Schulmalkasten zu übermalen scheitert. Die Muster fesseln mich immer wieder, vor allem wo sie nicht perfekt gewalzt sind, und oft verliere ich mich vor dem Einschlafen im Rapport. Wird ein Zimmer neu ausgemalt, bringt der Anstreicher einen Ordner mit Muster-Mustern vorbei, zarte Pastellfarben mit Silberglanz. Nur ein Muster auszusuchen erschien mir schon damals unmöglich: Ich will alle! Ocker, zartblau, hellgrün: In Stiegenhäusern, Küchen und am Land sind die Walzenmuster omnipräsent, eine Wand "ohne" erscheint fast unanständig nackt. Bauern- und Armeleutetapeten. Hinter Kästen oder unter Tapeten entdeckt man immer wieder seltsame, geheimnisvolle Farbkombinationen, die einen Blick durch weiße Farbschichten hindurch in andere Zeiten freigeben. Im schon fast zerstörten Zustand, viele Schichten übereinander, offenbaren sie ihren malerischen Reichtum.
Die ersten Walzen besorge ich während ich noch an der Angewandten studiere am Flohmarkt, absichtslos. Was mit ihnen anfangen? Wie benutzt man sie eigentlich? Wie nutzt man sie künstlerisch? Erste Versuche sehen belanglos aus. Nach vielen gescheiterten Versuchen nehme ich eines Tages die Farbspuren auf dem Tisch wahr, sich überlagernde Schichten, die sich gegenseitig auslöschen und ergänzen; tiefe, undurchsichtige Farbräume: das ist es. Ich sehe das Bild. Große Formate folgen, dann die Rückkehr zur Wand. Immer mehr Muster finden sich ein, eine stattliche Sammlung von Musterwalzen entsteht. Ich habe sie nie gezählt. Jede neue Walze bietet ein ganzes Universum an Möglichkeiten, die erforscht werden wollen. Manche funktionieren nur mit bestimmten Farben gut im Bild, manche sind so zart, dass man sie kaum bemerkt. Mit vielen meiner Walzen habe ich noch nie gemalt, ihre Zeit wird noch kommen. Noch immer liegt die Faszination der Muster in den unsauberen Wiederholungen, im fehlerhaften Rapport, den Quetschspuren beim Auftrag.
Für all jene, die sich für die handwerklichen Hintergründe interessieren: Die Geschichte der gemusterten Wand und der Produktion der Musterwalzen ist in den letzten Jahren von Birger Jesch und Tobias Ott aufgearbeitet worden. Und zu kaufen gibt es sie da auch.