August im Garten und ich lasse alles wachsen wie es grade will. Das Geräusch von Motorsägen, Rasenmähern und Traktoren aus der Umgebung begleitet die Lektüre von Camille Paglias Gedanken über ‘Natur und Kultur’. Der Garten ist beides, Natur und Kultur. Der Dualismus ist hier so falsch wie überall anders auch, aber ermöglicht Einblicke in die gestaltenden Strukturen. Ich lese also weiter.
Rundum wird die ‘hauchdünne’ Oberfläche gemäht, abgeholzt und beackert. Sorgsam wird darauf geachtet, dass die Schicht dünn bleibt, der Rasen nicht mehr als 3 cm, die Gärten mit sauberen Beeten und Wegen, übersichtlich und ordentlich. Auch das Ungezügelte der Natur ist bedrohlich, als würde das Dämonische nur allzugleich durch die ordentlich dünne Schicht brechen.
Wieder mal das Apollinische: Blätter und Blumen gern, aber nicht struppig, nicht dornig, nicht zu viel. Der Gott der Rasenmäher (ja, es gibt ihn wirklich, den Rasenmäher Apollo) und Vergewaltiger, der gern auch mal jemandem die Haut abzieht. Warum ruft er nicht panischen Schrecken hervor?
Ich bin nicht apollinisch integer, vielleicht weil ich eine Frau bin, und Paglia unausgesprochen auch vom kulturell seit Jahrtausenden festgeschriebenen Dualismus von männlich und weiblich spricht, der dadurch kaschiert wird, dass dem Weiblichen nicht mal eine Göttin vorsteht. Ich möchte nicht weiter auf die mit diesen Worten sanktionierte Ausbeutung und Zerstörung der Erde und der Frauen eingehen. Viel wichtiger ist mir an dieser Stelle aber eine Neubewertung des Chthonischen: Indem die Erde und die scheinbare Unordnung der Natur mit Geboren werden und Sterben als dämonisches Angstszenario aufgebaut wurde - und es immer noch ist - rotieren wir im Sog der Machbarkeit und Projekte, anstatt zuzugeben, dass jede Ordnung, die wir schaffen können, immer zu einfach ist um das Leben zu fördern. Für mich ist das ein Anstoß, mich mehr mit der Schönheit des Chthonischen und chthonischer Schönheit auseinanderzusetzen.