jammen* am puuul
Einige Überlegungen zur Kunstselbstkontrolle und so.
Diesen Text habe ich 2005 geschrieben und seither völlig in einem Ordner vergessen. Und doch: 20 Jahre später ist er für mich noch genauso aktuell wie damals…
Nach der letzten Ausstellung und im Zusammenhang mit der Diskussion um Kunst Selbstkontrolle möchte ich ein paar Bemerkungen formulieren, in der Hoffnung damit die Diskussion etwas mehr in Gang zu bringen.
Selbstkontrolle, ja dezidiert Kunstselbstkontrolle betrachte ich seit Jahren als zentralen und eben politischen Punkt meiner Arbeit. Kontrolle verstehe ich nicht als Form der Auseinandersetzung mit dem Werk anderer oder dem eigenen, sondern als die Notwendigkeit Künstlern die Kontrollmacht über ihr Leben, ihr Werk, ihre Ausstellungen zu ermöglichen. In diesem Sinne war meine Arbeit als Geschäftsführerin der IG Bildende Kunst (2000 - 2003) sowohl eine künstlerische als auch eine politische Notwendigkeit, der Erhalt dieser Vereinigung ein Akt des Widerstandes und die Basis, auf der künstlerische Selbstkontrolle entstehen kann. Abseits, mit und auch gegen politische Vorgaben und Budgets, Museen und Kuratoren, Kunstmarkt, Medien und Galeristen und jeden, der versucht den Künstler unter seine Kontrolle zu bringen, mit größter Freiheit und immer für die Künstler. Eine Arbeit, die man nicht alleine machen und nicht alleine beenden kann, sondern die immer wieder mit neuer Energie vorangetrieben werden muss. Diese Arbeit beschränkt sich aber auch nicht auf einen Verein, der das für einen erledigt, sondern ist ein dauernder Prozess, der sich in jeder Ausstellung, in jedem Agieren im Feld der Kunst fortsetzt.
Einer der wichtigsten Punkte bei der Selbstkontrolle ist das Problem des Kontrollverlustes, nach jeder Ausstellung stelle ich mir die Frage: Wie wurde hier gehandelt? Warum und für wen wurde ausgestellt? Wie entstehen Ausstellungen, Kataloge, Einladungen, Themen etc., was ist das Anliegen und wird es von allen getragen? Wer hat die Kontrolle über das, was wir sagen? Ist es nicht ein Irrtum zu glauben, dass Selbstkontrolle etwas damit zu tun hat, sich nur um die eigene Arbeit, den eigenen Beitrag, die eigene Meinung zu kümmern?
Selbstkontrolle bedeutet hier ein ernsthaftes Vorgehen in der Vorbereitung, Diskussion und Vorbereitung der Ausstellung, mein Wunsch ist es, mehr zu produzieren als eine Aneinanderreihung von Werken, die assoziativ zusammenpassen. Genau darin liegt die Herausforderung der Differenzierung. Selbstkontrolle ist nicht gleichbedeutend mit Kontrollverlust, weder über das eigene Tun noch über das der Gruppe. Und nicht zuletzt: Selbstkontrolle bedeutet auch Zurückhaltung: Etwas nicht zu tun, kann in dieser Hinsicht positiv sein.
Hier muss ich vom Wunsch zur Kritik und Selbstkritik übergehen: es gelingt selten, und zu oft wird es nicht einmal versucht. Wie viel wissen wir über die Arbeit der anderen? Kennen wir einander so gut, dass wir überhaupt in der Lage sind, inhaltlich sinnvolle Diskussionen zu führen? Für mich kann ich diese Frage allzu oft nur verneinen: Ich kenne viele nur oberflächlich, und ich habe inzwischen gemerkt, dass es nicht nur mir so geht. Dieses grundsätzliche Defizit gilt es zu beseitigen, um gemeinsame Projekte im Vorfeld inhaltlich sinnvoll diskutieren zu können. Ich halte es für unbedingt notwendig, einen gemeinsamen inhaltlichen Angelpunkt zu haben, der möglichst in einem Text formuliert ist, auf den sich alle beziehen können, in Übereinstimmung, in Erweiterung oder auch in Kontraposition.
Dann ist da noch das Problem der Kommunikation miteinander, denn wir leiden alle unter Zeitdruck, Treffen, bei denen alle anwesend sind, sind logischerweise selten. Ich denke, es ist daher notwendig, unsere Form der Kommunikation zu ändern, um nicht im Kleinkram der Projekte stecken zu bleiben.
An diesem Punkt möchte ich nun zum puuul kommen, auch er ist als Projekt für mich aufs engste mit Selbstkontrolle verbunden: mit der Kontrolle über den Zeitpunkt, an dem Arbeiten präsentiert werden können, das Nicht-warten-müssen auf die Gunst von Galeristen oder Museumsbediensteten. Also, nicht jammern, sondern jammen am puuul! Denken wir drüber.
“it’s a lot of business making pleasure with us” - monochrom
*"Culture Jamming" ist eine ästhetische Strategie des zivilen Ungehorsams, die in den letzten vier Jahrzehnten nicht nur in Pop und Kunst, sondern auch im politischen Aktivismus vermehrt zum Einsatz kommt. Zitat aus Pressetext: Just do it! Die Subversion der Zeichen von Marcel Duchamp bis Prada Meinhof, Lentos