Der wilde Garten

Auszug aus einen Text von Norbert Philip, für Die Presse Schaufenster

Meine Bilder sind Gärten, und Gärten sind immer auch Bilder.

Die Künstlerin Hannah Stippl irgendwie auch im Garten aufgewachsen. Viel Zeit hat sie als Kind draußen verbracht, im Freiraum zwischen dem Haus ihrer Großeltern und dem Bahndamm, auf dem die Züge aus Wien Richtung Süden donnern, in Perchtoldsdorf. Dort, wo alles fein parzelliert und abgezirkelt in der suburbanen Landschaft liegt, ist Stippl in ihre Beziehung mit Natur, Landschaft und Leben hineingewachsen. “Heute noch bemerke ich, wie die Perspektive aus dem Garten auf die schräge Wiese des Bahndamms in vielen meiner Bilder auftaucht”, erzählt Stippl.

Und irgendwie ist auch ihr Kopf ein Dickicht, ein Garten, wo alles, wenn man es nur lässt und nicht beschneidet, sich gegenseitig überwuchert. Stippl lässt das bewusst geschehen. Das Philosophische, das Künstlerische, das Leben, alles darf sich überwachsen. Ihre Bilder seien Gärten, sagt sie. Und Gärten immer auch Bilder. Dabei legt sie ihren Arbeiten auch immer gern ein paar Worte und Gedanken bei. Schließlich hat Stippl auch Philosophie studiert. “Wir leben doch in einer Welt, in der alles in Dualismen aufgeteilt scheint. Wie etwa hier Natur, dort Kultur. Aber daran glaube ich nicht”, sagt Stippl. Im Garten kommt sowieso alles zusammen, was die Menschen beschäftigt. Und selbst Tod und Leben existieren hier nicht getrennt voneinander, sondern überblenden. “Dazu muss man nur vor einem Komposthaufen stehen und überlegen, wo fängt es an, wo hört es auf.” In Elsbach, unweit von Wien, hat Stippl selbst einen Garten. Einen, der, wie sie meint, auch von manchen “Ungärten” umgeben ist, in denen die “Liebe zum Lebendigen” konterkariert wird. Nämlich wenn die Mähroboter, Kettensägen und Heckenscheren das Leben regelmäßig beschneiden. Oder Bäume erst fallen müssen, damit danach die Sonnenschirme die Menschen künstlich vor der Hitze schützen müssen. “Manchmal stelle ich wirklich eine Art Feindschaft gegenüber dem Lebendigen im Garten fest”, meint Stippl. Vielleicht weil es viel schwieriger sei, “den Garten lebendig zu machen”.

Gärten kommen ganz gut ohne den Menschen zurecht. Auf dem Grundstück von Hannah Stippl darf der Garten auch viel Zeit mit sich selbst verbringen. Letztes Jahr war die Künstlerin ein halbes Jahr im Ausland; als sie zurückkam, war der Garten übersät mit Nachtkerzen. Ein faszinierendes Bild, das die Natur selbst geschaffen hat. Die Bilder, die Stippl schafft, sind auch überwachsen von organischen Eindrücken und Gedanken. Zuletzt beschäftigte sie sich gern mit Mythologien. Etwa mit der Figur der Daphne, die sich auf der Flucht vor Apollo in einen Baum verwandelt. Als Ausgangspunkt für eine gedankliche und visuelle Auseinandersetzung mit dem Verhältnis der Menschen zur Natur, die sie sie mit Farbe durch Sprühschablonen wie zuletzt auch typografisch auf Papier bringt.