“Die Geschichte der abstrakten Kunst ist im Grunde die Fortsetzung der Geschichte des Ornaments mit anderen Mitteln und in einem anderen Kontext. Vor der sogenannten modernen Kunst hat die Ornamentik in allen Kulturen und durch alle Zeiten hindurch das Reich des Ungegenständlichen beherbergt. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde das Ornament aufgrund der Krise der Dekoration im Bereich der angewandten Kunst immer obsoleter und emigrierte sozusagen in die Hochkunst, in die gerade abstrakt werdende Kunst. Zunächst wirkte es dort wie ein blinder Passagier. Doch das ganze Wissen, das es über Jahrtausende über die Formmöglichkeiten des Ungegenständlichen, und die Fähigkeit, Sinn zu bergen, angesammelt hat wird für die Entfaltung der abstrakten Kunst immer wichtiger.”
In einem Interview definiert Markus Brüderlin das Ornament als "blinden Passagier" der abstrakten Kunst - dieser blinde Passagier, jene Kenntnisse und Praktiken, die durch Muster und Ornamente generiert und tradiert werden, steht im Zentrum meines Interesses. Die Verflechtungen unterschiedlicher Kompetenzen, Kenntnisse, Traditionen und Orientierungen dienen als Inspiration meiner Malerei. Diese entsteht aus dem Dialog, der Überlagerung vieler Schichten, Farben, Muster, manchmal über Jahre hinweg. Das Bild ist nicht mehr Blick hinaus durch ein geöffnetes Fenster, sondern umgekehrt: ein verstellter, gehinderter Blick, ein Blick durch Gitter, Zäune, Schleier, in verborgene Räume, das Dickicht, Boudoir, im Zwielicht. Malerei, die ebenso den Strukturprinzipen des all over folgt wie denen des Ornaments und doch weder als das eine noch als das andere hinreichend verstanden ist. Dazu die entstandenen Bilder mit Geschichten anreichern, sie mit neuen, anderen Orten verbinden und so ein dichtes Netz an Verweisen weben. Das nicht Vorhersehbare macht den blinden Passagier sichtbar.