Die Pflanzen: Artemisia

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Mein Garten/Atelier ist voll mit Artemisien. Ein großer Strauß steht nun vor mir am Arbeitstisch. Der aromatische Geruch, die Bitterkeit, ihr Sonnenhunger, die grazile Form der Blätter, die Farbigkeit, - die Kraft, die von den Pflanzen ausgeht: Ich liebe Artemisien. Ich will sie um mich haben, mit ihnen leben, sie kennenlernen. Jede einzelne dieser Pflanzen hat eine eigene Persönlichkeit und auch eine ganz eigene (Kultur-) Geschichte. Wo immer ich hinfahre forsche ich nach ihnen, manchmal kann ich sogar neue Arten mit heim bringen. Mit meiner Sammelleidenschaft bin ich europaweit recht allein, nur einen weiteren Sammler konnte ich bisher finden.  

Artemisia annua, August 2017

Artemisia annua, August 2017

Artemisia annua

Die einjährige Artemisia leuchtet satt hellgrün aus dem Garten, in dem sie sich seit ein paar Jahren selbständig versamt. Ihre fein gefiederten Blätter auf bis zu 2m hohen Pflanzen verweben sich mit Verbenen und Dahlien und sind eine echte Bereicherung. Doch darüber hinaus hat die Pflanze das Potenzial zu einer der bedeutendsten Heilpflanzen der Gegenwart zu werden, denn ihre Wirksamkeit gegen Malaria ist mittlerweile erwiesen. Für die Extraktion des Artemisinin erhielt die chinesische Pharmakologin Tu Youyou 2015 den Nobelpreis für Medizin. Vor allem in Afrika kann der Anbau von Artemisia annua tausende Menschenleben retten. 


Artemisia argyi, Mai 2018

Artemisia argyi, Mai 2018

Artemisia argyi

Das blassblaue Samensäckchen schien fast leer als ich es aufmachte, so winzig sind die Samen. Eine einzige Pflanze ging schließlich auf, ängstlich gehütet und beobachtet. Es dauerte ein ganzes Jahr bis sie sich zu einer kraftvollen, reichlich Ausläufer treibenden Pflanze entwickelte. Ein paar Jahre später steht sie nun in üppigen, leicht bitter duftenden Horsten im Garten. Sie treibt sehr früh aus und meist kann ich schon im März die ersten Blätter für frischen Tee, Suppen, Quiche oder Frühlingssalate ernten. Artemisia argyi ist nicht so bitter wie Artemisia absinthium oder Artemisia vulgaris und eignet sich am besten zum Verzehr.

Ursprünglich stammt sie aus China, Japan und dem südöstlichen Rußland. Dort ist sie nichts Besonderes und wächst an Böschungen und Straßenrändern, auf Schuttplätzen und in den Steppen. Die botanische Erstbeschreibung erfolgte durch zwei französische Geistliche und Botaniker, Augustin Abel Hector Léveillé (1863-1918) und Eugène Vaniot (1846-1913), die an den vielen tausend Pflanzenexemplaren forschten, die von Sammlern aus Fernost verschickt wurden. Aus diesen Lieferungen konnten sie etwa 2000 (für Europa) neue Arten ermitteln.

In China wird Artemisia argyi als Heilpflanze, aber auch in der Küche genutzt. Besonders wichtig ist die Pflanze zur Zeit des Drachenbootfestes, das am 5. Tag des 5. Mondmonats stattfindet, also ungefähr zur Sommersonnenwende am 21. Juni. Um Ungeziefer und schädliche Geister fernzuhalten werden große Büschel von Artemisien an Fenster und Türen gehängt oder als Duftbeutel verschenkt. An diese Tradition knüpfe ich im Sommer an, wenn ich die Artemisia argyi bis fast auf den Boden zurückschneide um die Blätter zu trocknen. In große Kissenbezüge gefüllt begleitet mich ihr Duft den Rest des Jahres.


Artemisia lactiflora, August 2017

Artemisia lactiflora, August 2017

Artemisia lactiflora 'Weisse Dame'

Sie wird auch Elfenraute genannt, so zart leuchten die milchig-weißen Blütenwolken im Dämmerlicht vor dem dunklem Hintergrund des Gehölzrandes - und vor meiner Terrasse. Auch sie kommt aus China, doch unterscheidet sie sich in vielerlei Hinsicht völlig von anderen Artemsisien. Sie liebt feuchte, nährstoffreiche Standorte und verträgt auch Halbschatten. Der wohl größte Unterschied sind ihr herb-frisch duftenden Blüten, die an warmen Sommerabenden den Garten verzaubern. Die 'Weisse Dame' ist eine besondere Auslese von Ernst Pagels, einem der erfolgreichsten Staudenzüchter Deutschlands. Sie blüht besonders reich und unentwegt von Juli bis September. Die langen, fragilen Blütenrispen verzweigen sich locker, sie erscheinen weiß, wobei die Einzelblüten, bedeckt durch eine weiße Hülle, lila-purpurrot sind. 


Artemisia vulgaris, Mai 2018

Artemisia vulgaris, Mai 2018

Artemisia vulgaris

Die Versuchsbeete im Botanischen Garten der Universität Wien waren umrahmt von dieser Artemisia, die leicht mehr als 2 Meter hoch wird. Sie hat ungewöhnlich wollige Stengel, vielleicht eine neue Art? Vor meiner Terrasse ist sie ein wunderbarer sommerlicher Begleiter, Sichtschutz und Duftpflanze gleichzeitig.


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Artemisia vulgaris var. gilvescens

Hohe Horste mit sattgraugrünen, breiten Blättern und einer silbrigen Unterseite, eindrucksvoll wie diese Artemisia im Garten steht. Im Hochsommer lässt sie alle anderen im Beet verschwinden, und das ist gut so. Sie kommt aus dem Osten Sibiriens, auch am Yang Tse und der Manschurei findet man sie. Ihr Duft lässt sich kaum beschreiben, vielleicht als exzentrisch herb-aromatisch? In jedem Fall passt sie hervorragend in meine getrockneten Räucherbündel. 


Artemisia vulgaris var. ligusticus, Mai 2018

Artemisia vulgaris var. ligusticus, Mai 2018

Artemisia vulgaris var. ligusticus

Sie wird nur einen Meter hoch, neben den hohen Arten könnte sie fast zurückstehen, doch dafür sie breitet sich ungewöhnlich rasch aus. Innerhalb eines Jahres hat eine Pflanze gut 3 Quadratmeter besiedelt, vielleicht sollte mir das Sorgen machen...? In ihrer Heimat ist die Artemisia ligusticus ein beliebtes Gewürz für Pastasaucen, Fisch und Fleisch, ein wenig riecht sie auch nach Thymian. Im Lauf des Sommers werden ihre Blätter immer dunkler, eine perfekte Ergänzung zu ihren silbrigen Schwestern.


Artemisia vulgaris 'Oriental Limelight', Mai 2018

Artemisia vulgaris 'Oriental Limelight', Mai 2018

Artemisia vulgaris 'Oriental Limelight'/'Janlim'

Eigentlich sind panaschierte Sorten nicht so mein Ding, 'Oriental Limelight' ist eine Ausnahme. Über Jahre behält sie schon ihre hellen Einsprengsel, wird immer breiter und fühlt sich sichtbar wohl.